Verlust von Bierkompetenz

3. April 2024 Mehr

Im Jahr 2023 verzeichnet die heimische Bierbranche trotz eines Rückgangs des Bierausstoßes von etwa drei Prozent ein solides Ergebnis. Allerdings hinterlassen das Wirtshaussterben und die Konsumzurückhaltung Spuren in der Braubilanz. Zudem sehen sich die Brauereien des Landes mit starkem Kostendruck und hoher Inflation konfrontiert.


Geschäftsführer Florian Berger und Obmann des Verbands der Brauereien Österreichs Karl Schwarz erkennen potenzielle Wachstumschancen, insbesondere in der gehobenen Gastronomie sowie im Markt für alkoholfreie Biere

Der Gesamtausstoß im Vorjahr betrug 9,98 Mio. Hektoliter und kommt damit an das sehr hohe Jahresniveau von 2019 heran. „2023 war ein schwieriges Jahr, das von einer historisch hohen Inflation und einer Veränderung der Absatzmärkte sowie Konsumzurückhaltung geprägt war. Unter Berücksichtigung dieser Aspekte können wir mit den Ergebnissen zufrieden sein, zumal 2022 das Jahr mit dem höchsten Bierausstoß seit den 1990er Jahren war“, sagt Karl Schwarz, Obmann des Verbandes der Brauereien anlässlich der Veröffentlichung der Braubilanz.

Schließungswelle von Bier-Bastionen

Sorge und Kopfzerbrechen bereitet dem Verband derzeit ein deutlich erkennbarer Strukturwandel in der Gastronomie: So verzeichnet die Bierbranche in gastronomischen Betrieben einen Rückgang des Absatzes von Fass- und Tankbier um zwei Prozent. Dieser Abwärtstrend wird einerseits auf die allgemeine Teuerungswelle zurückgeführt, die zu einem geringeren Konsum führt, andererseits wird er auch auf die Schließungswelle klassischer „Bier-Bastionen“ zurückgeführt. „Das Wirtshaussterben grassiert vor allem im ländlichen Bereich, während die Systemgastronomie große Zuwächse gibt“, fügt Schwarz hinzu.

Vor allem jene Lokaltypen, die in der Vergangenheit hohe Bierabsätze verbuchten und damit die Bierkultur belebten, sind von den Krisen besonders betroffen. In Zahlen ausgedrückt: Die Anzahl an Lokalen mit ausgewiesener Bierkompetenz verringerte sich laut Fachverband der Gastronomie zwischen 2013 und 2023 um über ein Viertel. Auf reine Bierlokale und Pubs umgelegt, ist das Bild noch dramatischer: Hier ging die Anzahl an Lokalen um 34 Prozent zurück. „In absoluten Zahlen sind das fast 2.000 Betriebe weniger als noch vor zehn Jahren. Alleine im Vorjahr hat jeden zweiten Tag ein Gasthaus bzw. Bierlokal zugesperrt“, bedauert Schwarz. „Das klassische Landgasthaus befindet sich in einem Teufelskreis aus steigenden Preisen und Kosten, verbunden mit rückläufigen Umsätzen, Personalmangel, Landflucht und überbordender Bürokratie. Das ist insofern schlecht, weil Wirtshäuser für uns wichtige und große Partner nicht nur im Absatz sind, sondern vor allem auch eine entscheidende Rolle bei der Vermittlung des Biergenusses an unsere Kunden spielen. Boomende Betriebstypen wie die Systemgastronomie haben leider oft wenig bis gar keine Bierkompetenz. Oft wird in diesen Lokalen gar kein offenes Bier mehr ausgeschenkt“, weiß Schwarz zu berichten.

Lichtblicke aus der gehobenen Gastronomie

„Die gehobene Gastronomie und Hotellerie – und hier vor allem im urbanen Bereich – zeichnet sich durch eine überraschend hohe Resilienz und einen guten Zuspruch aus. 2023 hat wurde jeden dritten Tag ein neues Restaurant eröffnet“, verkündet der Obmann die erfreulichen Nachrichten. „Wir bemühen uns als Bierverband auch vermehrt darum, Restaurants als neue Partner abseits des 0,1l-Aperitifbiers zu gewinnen.“ Um den gehobenen Ansprüchen in diesem Bereich gerecht zu werden, setzt der Brauereiverband verstärkt auf Bier-Wissensvermittlung. Daneben sorgt eine Ausbildungsoffensive zum (Jung-)Biersommelier für mehr Bierwissen und Beratungsleistung. „Es sind bereits mehr als 3.400 Absolventen, die die Bierkultur direkt zum Gast weitertragen“, so Schwarz. Stolz ist man darauf, dass 2024 wieder die Staatsmeisterschaft der Biersommeliers ausgetragen wird. „Am 31. Mai wird die Tabakfabrik in Linz zum bierigen Zentrum des Landes“, so Florian Berger, Geschäftsführer des Brauereiverbands.

Alkoholfreies Bier auf dem Vormarsch

„Ein wichtiger Zukunftsmarkt sind für uns ganz klar die alkoholfreien Biere“, lässt der Obmann Karl Schwarz wissen. Ihr Aufschwung, der sich bereits auf dem europäischen Markt abzeichnet, ist nicht nur auf veränderte Konsumgewohnheiten und demographische Veränderungen in der Gesellschaft zurückzuführen, sondern auch auf deutliche Fortschritte in der Brautechnologie, die die Herstellung von alkoholfreiem Bier vorantreiben. Dank neuester technologischer Entwicklungen gewinnt alkoholfreies Bier an Charakter und Tiefe und schmeckt dabei so gut wie sein alkoholhältiges Pendant. Auch aufgrund der neuen Sortenvielfalt wird diesem Bereich großes Potenzial – sowohl innerhalb der bieraffinen Bevölkerung als auch außerhalb – attestiert.

In Österreich wurden im Vorjahr für den Inlands-Verbrauch rund 29 Millionen Liter AF-Bier eingebraut. „Wir sehen gerade auch im direkten Vergleich zu unseren Bier-affinen Nachbarn deutlich Potenzial nach oben“, ergänzt Berger. Europaweit ist AF-Bier auf dem Vormarsch, der Anteil von alkoholfreiem Bier an der Bierproduktion in Europa wird auf ungefähr fünf Prozent geschätzt, jener in Österreich lag im Vorjahr bei drei Prozent. „Klassisch bieraffine Länder wie Deutschland und Tschechien zeigen vor, wie es gehen kann: Bei unseren deutschen Nachbarn liegt der AF-Bieranteil bereits bei 7,6 Prozent, in Tschechien bei 6,3 Prozent. Der Ausstoß-Rückgang kann durch alkoholfreie Alternativen abgefangen werden, und die Konsumenten bleiben in der Geschmacks- und Erlebniswelt von Bier. Wenn wir uns den europäischen Durchschnitt zum Vorbild nehmen und auf österreichische Größenverhältnisse umlegen, dann sprechen wir von einem Potenzial von 42 Millionen Seiterl oder 28 Mio. Krügerl mehr AF-Bier“, so Berger. Als wichtigen Indikator für den Boom bei AF-Bieren nennt Berger auch die Tatsache, dass bei allen renommierten nationalen wie internationalen Bierwettbewerben mehrere Kategorien für diesen Biertyp aufgenommen wurden. „Große wie kleine Brauereien widmen sich dem Thema und kämpfen um Auszeichnungen“, so Berger.

Tradition im Glas: Lager und Märzen bevorzugt

Seit vielen Jahren führen Lager- und Märzen das Ranking der beliebtesten Sorten innerhalb Österreichs an. „Die heimischen Biertrinker sind ihrem Lieblingsgeschmack sehr treu“, weiß Berger. So wurden 2023 5,9 Mio. Hektoliter Märzen getrunken, das entspricht einem Inlands-Marktanteil von 69 Prozent. Platz 2 belegt sonstiges Vollbier mit 1,1 Mio. hl und einem 13-prozentigen Marktanteil, gefolgt von Spezialbier (vier Prozent), Schankbier, Pils, Radler mit Alkohol sowie Alkoholfreiem Bier inkl. Radler mit jeweils drei Prozent Marktanteil. Bemerkenswert: Bockbier hat sich im Vorjahr nahezu verdoppelt (+93 Prozent von 19.000 auf 38.000 hl).

Bei der Wahl der Gebinde ist Glas mit 56 Prozent nach wie vor die Nummer eins, gefolgt von Fass und Tank (18 Prozent). Der Mehrweg-Anteil bei Bier im Inland beträgt 66 Prozent, davon entfallen 46 Prozent (rund 3,90 Mio. hl) auf die klassische 0,5 l Mehrweg-Bierflasche. Der Anteil an Dosen liegt bei 27 Prozent, in Wien sind sieben von zehn verkauften Bieren sogar Dosenbiere.

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Kategorie: Allgemein, Beverage, Gastronomie | F&B, Schlagzeilen

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