Eine Frage der Ähre

4. August 2023 Mehr

Aufgrund zunehmender Trockenperioden findet ein Umdenken beim Getreideanbau statt. Um Brauereien weiterhin mit Malz in gewohnter Qualität beliefern zu können, setzt man auf resistentere Züchtungen. Anlässlich der heurigen Gerstenernte lud die Brauerei Zwettl zum Lokalaugenschein ins Waldviertel.

„Für ein Krügel Bier benötigt man 100 g Braugerste. Aus einem Quadratmeter Gerstenfeld ergeben sich also vier Krügel Bier“, rechnet Braumeister Heinz Wasner vor, während er auf den Gerstenacker deutet: „Auf diesem 30.000 m² großen Feld wachsen 120.000 Krügel oder 6.000 Bierkisten.“

Zünglein an der Waage

Bier erhält Geschmack, Farbe, Viskosität und Stärke hauptsächlich durch das verwendete Malz, das aus Braugerste gewonnen und beim Vermälzen durch Weichen, Keimen und Darren in diese Form verwandelt wird. Ein entscheidendes Qualitätsmerkmal für die Braugerste ist ein Eiweißgehalt von höchstens 11,5 Prozent im Korn. Zu viel Eiweiß macht die Gerste für den Brauer unbrauchbar, daher wird für die Herstellung von Braumalz ausschließlich erstklassige Gerste verwendet. Erst ein Bisstest zeigt an, ob die Gerste für die Ernte bereit ist. Ob sie sich für das Bierbrauen eignet, stellt sich jedoch erst nach der Ernte heraus: Die Qualität wird schließlich in der Mälzerei bestimmt. „Das ist die größte Herausforderung für uns“, erzählt Renate Müller, die gemeinsam mit ihrem Mann die Landwirtschaft betreibt. Im Schnitt sind 65 Prozent für das Bierbrauen bestimmt, der Rest wird zu Futtergerste verarbeitet.

Abhängig von den Launen der Natur

In Österreich wird auf rund 122.000 Hektar Sommer- und Winterbraugerste angebaut. Der hohe Norden Niederösterreichs zählt zu den relevanten Gerste-Anbaugebieten des Landes und ist aufgrund der klimatischen Bedingungen gleichzeitig eine der südlichsten Regionen weltweit, in denen Sommerbraugerste angebaut werden kann. „Typische Gerste-Anbaugebiete befinden sich eher im Norden, also in Russland, Polen, Dänemark“, erzählt Barbara Widner, Obfrau der Erzeugergemeinschaft Edelkorn. Aufgrund längerer Trockenperioden und zunehmender Hitze hat sich jedoch hierzulande die Art der angebauten Gerste gewandelt. Wurde früher in erster Linie Sommerbraugerste für das Bierbrauen verwendet, kommt nun auch Winterbraugerste vermehrt zum Einsatz: „Heuer werden erstmals 40 Prozent Winterbraugerste und 60 Prozent Sommerbraugerste angebaut“, erzählt Widner. „Dieser Mix gibt sowohl unseren landwirtschaftlichen Mitgliedsbetrieben, als auch der Brauerei Sicherheit.“ Und Karl Schwarz, der in fünfter Generation die Privatbrauerei Zwettl führt, ergänzt: „Wir kooperieren seit mehr als 20 Jahren mit Edelkorn und haben seither rund 40 Millionen Kilogramm regionale Gerste verarbeitet.“

Ernte gut, alles gut!

Nicht zuletzt aus Umwelt- und Klimaschutzgründen sind für ihn regionale Bezugsquellen heute sinnvoller denn je. In einer beispiellosen Zusammenarbeit der Brauerei Zwettl, der Erzeugergemeinschaft Edelkorn, bäuerlichen Lieferbetrieben und dem Raiffeisen-Lagerhaus Waidhofen/Thaya wird im Waldviertel ein Modell regionaler Wertschöpfung demonstriert. Auf 500 Hektar bauen 130 Mitgliedsbetriebe von Edelkorn Braugerste exklusiv für die Brauerei Zwettl und für die zum Unternehmensverbund gehörende Bierwerkstatt Weitra an. Jährlich verarbeitet Zwettler rund 2.500 Tonnen Braugerste. Die langjährigen Vereinbarungen mit festen Abnahmegarantien und ein freiwilliger „Waldviertel-Bonus“ honorieren das Engagement für regionale Wertschöpfung und Nachhaltigkeit.

 Winterbraugerste als Hoffnungsträger

Züchtungen diverser Gerstensorten müssen laufend angepasst werden. „Früher haben wir 20 Prozent Winterbraugerste und 80 Prozent Sommerbraugerste eingesetzt. Die Winterbraugerste war aufgrund eines zu hohen Eiweißgehalts verpönt“, erläutert Wasner. Diese wird bereits im Herbst gesät und profitiert in Folge von der Feuchtigkeit der kühleren Monate. Im Gegensatz dazu wird die Sommerbraugerste, die im Frühjahr gesät wird, durch Wetterextreme wie Hitze und Trockenheit beeinflusst, was dazu führen kann, dass sie nicht die erforderlichen Proteinwerte für den Brauvorgang entwickelt. Aus diesem Grund setzt man verstärkt auf beide Varianten. „Die Tendenz geht immer stärker in Richtung Winterbraugerste. Sie steht mittlerweile dank der Züchtungserfolge in ihrer Braufähigkeit der Sommerbraugerste um nichts nach“, hält Wasner abschließend fest.


v.l. Renate Müller (Landwirtin), Heinz Wasner (Braumeister der Privatbrauerei Zwettl) und Barbara Widner (Obfrau der Erzeugergemeinschaft Edelkorn)


Für die Herstellung von Braumalz werden erstklassige Gerstensorten mit einem niedrigen Eiweißgehalt benötigt.

Fotos: © Philipp Lipiarski für Privatbrauerei Zwettl

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Kategorie: Allgemein, Schlagzeilen, Veranstaltungen

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