Endlich Nichtraucher?

13. Mai 2015 Mehr

 

Bereits 2008 forderten die Präsidenten der Österreichischen Hoteliervereinigung (ÖHV) ein „absolutes Rauchverbot“ in der Gastronomie und Hotellerie: Anstatt die Unternehmen mit teuren Auflagen zu belasten, sollte man lieber gleich Klartext reden, denn: Früher oder später werde ohnehin EU-weit ein Rauchverbot in der Öffentlichkeit kommen.

 

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(Martin Stanits, ÖHV)

 

Statt eines generellen Rauchverbots, wie etwa in Italien, entschied man sich in Österreich für eine verpflichtende Trennung von Raucher- und Nichtraucherbereichen, was vielerorts zu hohen Investitionskosten führte. Nun wird, wie 2008 vorausgesagt, erneut über ein generelles Rauchverbot in der Gastronomie diskutiert. Noch vor dem Sommer soll es dazu einen Parlamentsbeschluss geben. Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser (SPÖ) plant eine Realisierung bis spätestens 2018, sucht davor aber noch das Gespräch mit Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP), dann mit der Gastronomie und auch mit Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) bezüglich einer Entschädigung für die Umbauarbeiten der Wirte. hotelstyle & gastro sprach mit Martin Stanits (ÖHV) und KR Helmut Hinterleitner (WKO Obmann Fachverband Gastronomie) über ein generelles Rauchverbot in Gastronomie und Hotel:


Vorher Entscheidungsfreiheit, nun generell Nichtraucher. Wie stehen Sie dazu?

WKO: Für uns steht die derzeitige Regelung im Tabakgesetz außer Streit. Nach den Umfragen der Wirtschaftskammer sind bereits über 40 Prozent der Gastronomiebetriebe komplett rauchfrei, 43 Prozent der Betriebe haben abgetrennte Raucherbereiche eingerichtet. Die Konsumentinnen und Konsumenten haben eine breite Auswahlmöglichkeit, um sich den Betrieb auszusuchen, der ihnen gefällt.

ÖHV: Die politische Zielrichtung ist umstritten, aber einigermaßen klar. Vieles ist aber nicht bis ins Detail geklärt. Da werden wir die Standpunkte, Notwendigkeiten und legitimen Interessen der Branche einbringen – von Rechtssicherheit und Investitionsschutz bis hin zu Lösungen, wo Rauchen ohne negative gesundheitliche Auswirkungen auf Mitarbeiter und andere Gäste vereinbar ist.


Wie sehen die Reaktionen seitens der Betroffenen aus?

WKO: Das hängt von der Betriebsart, der Lage des Lokals und dem Publikum ab. Bei den gehobenen Speiselokalen ist Nichtrauchen längst der Standard. Befürwortet wird das Rauchverbot von jenen Betrieben, welche die Wankelmütigkeit des Gesetzgebers vorhergesehen und daher nicht umgebaut haben. Umgekehrt lehnen Betriebe, die im Vertrauen auf den Gesetzgeber aufwändige Umbauten vorgenommen haben, ein generelles Rauchverbot vehement ab. Die reinen Raucherbetriebe und die Mischbetriebe in der Dorfgastronomie bzw. in der Unterhaltungsgastronomie bangen vielfach um ihre Existenz.

ÖHV: Die ÖHV hat hier – als einzige Organisation in Österreich – ihre Mitglieder detailliert dazu befragt. So viel sei verraten: Die Antworten fallen sehr differenziert aus. Details dazu kommunizieren wir aber erst im Anschluss an den Termin mit dem Minister. Alles andere würde die Verhandlungsposition unterminieren. Das wäre nicht im Sinn der Hotellerie – also der ÖHV-Mitglieder und hotelstyle-Leser.

 

Sind Aufwandsentschädigungen für bereits getätigte bzw. zu tätigende Umbauarbeiten gerechtfertigt?

ÖHV: Natürlich! Investitionsschutz ist ein grundrechtlich abgesicherter Anspruch. Daran gibt es nichts zu rütteln.

WKO: Die Wirtschaftskammer war immer gegen eine gesetzliche Regelung und für die Wahlfreiheit der Betriebe. Der Gesetzgeber hatte im Jahr 2009 die Möglichkeit ein generelles Rauchverbot in der Gastronomie einzuführen, er hat stattdessen auf abgetrennte Raucherräume gesetzt. Diese Regelung wurde vom Gesetzgeber im Jänner 2014 erneut bestätigt. Die österreichischen Gastronomen haben im Vertrauen auf den Bestand der Regelung mehr als ca. 150 Millionen Euro in Raumtrennungen und Lüftungen investiert. Wenn es sich der Gesetzgeber nun plötzlich anders überlegt, müssen die betroffenen Gastwirte voll entschädigt werden. Die bereits angedachten Abschreibungsmodelle sind jedenfalls keine ausreichende Entschädigung.

 

Welche Folgen sind bei einem generellen Rauchverbot außerdem zu berücksichtigen?

WKO: In Österreich musste die Betriebszeitengarantie für Gastgärten bereits mehrmals vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben werden, weil sich die Anrainer schon am frühen Abend durch die Unterhaltungen der Gäste belästigt fühlen. Es ist schon schlimm genug, wenn der Wirt seinen Gast im strömenden Regen vor die Tür schicken muss. Künftig wird man die Gäste darum ersuchen müssen sich 50 Meter vom Lokal zu entfernen, damit ihre Unterhaltungen und der Rauch nicht dem Betrieb zugerechnet werden. Andernfalls drohen laufende Anzeigen wegen Lärm- und Rauchbelästigung und eine drastische Vorverlegung der Sperrzeiten. Das ist für Restaurants in wenig verbauter Umgebung möglicherweise kein Problem. Für die Betriebe der nächtlichen Unterhaltungsgastronomie im dicht verbauten städtischen Bereich wäre eine derartige Situation absolut existenzbedrohend.
Für das klassische Dorfwirtshaus und die Unterhaltungsgastronomie werden parallele „gastronomische“ Strukturen wie Zeltfeste oder Vereinshäuser, wo weiterhin geraucht werden darf zunehmend problematisch. Für viele kleine gastronomische Existenzen auf dem Land bedeutet das massive wirtschaftliche Einbußen bis zu existenzieller Bedrohung.

 

Rauchen als bisher sozialer Akt: Welche Auswirkungen könnte diese Maßnahme auf die Gesellschaft haben?

WKO: Keine. Angesichts der nur gelegentlichen Gasthausbesuche und der relativ kurzen Verweildauer der Gäste ist nicht ernsthaft anzunehmen, dass jemand seine Lebensgewohnheiten bzw. seine Sucht wegen eines Rauchverbots in Gaststätten dauerhaft aufgibt. Der Zigarettenkonsum wird dadurch lediglich in den Privatbereich oder eben kurz vor die Türen der Lokale verlagert. Dies belegen nicht zuletzt die Zahlen aus anderen Mitgliedstaaten. Griechenland bildet trotz strengem Rauchverbot in der Gastronomie das Schlusslicht bei der Zahl der Raucher (40 % Raucher), während es in Portugal trotz eines sehr liberalen Nichtraucherschutzgesetzes nur wenige Raucher gibt (23 % Raucher). Es gibt also keinen Zusammenhang zwischen Rauchverboten in Gaststätten und der Zahl der Raucher oder konsumierten Zigaretten.

ÖHV: Realistisch betrachtet ist diese Maßnahme kein ausschlaggebendes Kriterium für die Gesundheitspolitik. Mit Rauchverboten in Lokalen werden wir da keinen Turn-around erzwingen.

Vielen Dank für das Gespräch!

 

 

 

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Kategorie: Kolumnen

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