Fleisch essen? Eine Aufklärung, Dr. Ulrike Weiler

17. Mai 2016 Mehr

Was ist gutes Fleisch?
Dieser Frage stellt sich Dr. Ulrike Weiler in ihrer aktuellen Publikation „Fleisch essen? Eine Aufklärung“. Die Agrarwissenschaftlerin forscht und lehrt am Institut für Nutztierwissenschaften an der Universität Hohenheim zum Thema „Endokrine Regulation von Leistungen beim Schwein, Fleischqualität und Qualitätsbeeinflussung“. In ihrer Arbeit untersucht sie die wesentlichsten Qualitätsmerkmale von Schweine- und Rindfleisch, geht aber zunächst auch auf die Frage ein, ob man Fleisch überhaupt essen darf.

Weiler_Fleisch_

Brauchen wir Fleisch?
Berichte über Missstände in der Tierhaltung und über negative Umweltfolgen und fehlende Nachhaltigkeit der Fleischerzeugung haben dem Fleischkonsum gerader in jüngster Zeit ein negatives Image beschert. „Mit gutem Gefühl Fleisch essen können“, so Weiler, „nur noch diejenigen, die diese Diskussionen ausblenden und bewusst ignorieren, oder die Menschen, die wissen, was in der Produktion wirklich passiert.“ Dazu kommt der wachsende Trend hin zu gesunder Ernährung und die Frage, ob man denn nicht ohne Fleisch gesünder lebt oder ob dadurch eine Mangelernährung vorprogrammiert ist.
Menschen sind – im Gegensatz zu den vorwiegend auf pflanzliche Nahrung programmierten Primaten – Omnivoren. Das heißt, unser Gebiss und unser Verdauungssystem sind darauf ausgelegt, dass wir sowohl pflanzliche als auch tierische Nahrung zu uns nehmen. Damit sind wir eine höchst anpassungsfähige Spezies, die mit unterschiedlichen Ernährungsgrundlagen überleben kann. Weiler schließt daraus, „dass eine prinzipielle Negierung von Produkten tierischen Ursprungs nicht den physiologischen Bedürfnissen unserer Spezies entspricht.“
Fleisch hat außerdem einen hohen Gehalt an hochwertigem Protein und Fett, und zum Teil andere Vitamine und Mineralstoffe als Pflanzen. Fett ist Speicher für Energie. Mageres Fleisch, wie das des Kaninchens, ist daher sogar weniger gesund als jenes mit höherem Fettanteil. Weiler listet die im Fleisch enthaltenen Vitamine und Proteine detailliert auf und fasst zusammen, „dass pflanzliche oder tierische Fette per se nicht als mehr oder weniger gesundheitsfördernd bezeichnet werden können.“
Auch wenn prinzipiell nichts gegen einen vegetarischen oder gar veganen Lebensstil spricht, so gäbe es aus rein ernährungswissenschaftlicher Sicht nichts, was gegen den Genuss von Fleisch spricht. Tatsächlich liegt, trotz zahlreicher, höchst professioneller Kampagnen diverser Tierschutzorganisationen, der Anteil von Verbrauchern, die behaupten, sich ohne Fleisch zu ernähren, bei nur knapp zehn Prozent. Weitaus schneller wächst die Gruppe der sogenannten Flexitarier, also jener Menschen, die sich überwiegend vegetarisch ernähren, Fleisch aber qualitätsbewusst und in kleinen Mengen in den Speiseplan integrieren.

Was ist Qualität?
Geht es nur um Produktqualität mit hohem Genusswert? Oder geht es heute noch mehr um tiergerechte und umweltfreundliche Erzeugung? Und sind die Tiere in regionalen, kleinbäuerlichen Betrieben tatsächlich glücklicher als jene aus Massentierhaltung? Auch auf diese Frage und auf Unterschiede in der Schlachtung geht die Autorin ausführlich ein.
Geht es rein nach dem Genuss, bewerten wir Fleisch dann besonders positiv, wenn es zart, saftig und aromatisch ist. Diese Eigenschaften hängen wesentlich mit dem Fettgehalt zusammen: „Ist es gut durchzogen, so wird das Fleisch als zarter bewertet, denn Fett setzt dem Gebiss mechanisch einen geringeren Widerstand als fettarmes Fleisch entgegen. Auch die Saftigkeit wird durch das eingelagerte Fett, also die Marmorierung, positiv beeinflusst wie durch die Fähigkeit, den Fleischsaft zu binden. Auch für das Aroma ist der Fettgehalt ein Schlüsselkriterium: Schieres Muskelfleisch hat ein wenig typisches Aroma, viele geschmacks-aktive Substanzen sind fettlöslich.“

Damit beispielsweise Rindfleisch gut schmeckt, müssen viele Dinge stimmen. Die richtige Rasse, das richtige Geschlecht, die passende Fütterungsstrategie, das richtige Schlachtalter und nicht zuletzt auch die ausreichende Reifungsdauer. Hier gibt es verschiedene Kategorien, die es zu kennen gilt, bevor man sich für eine bestimmte Zubereitung entscheidet:
Je nach Schlachtalter unterscheidet man die Kategorien Kalbfleisch (bis acht Monate), Jungrindfleisch (älter als acht Monate, aber noch nicht ausgewachsen) und Rindfleisch. Dabei gilt: je jünger desto zarter und magerer. Weniger bekannt ist, dass auch Rindfleisch von ausgewachsenen Tieren durch fünf Kategorien repräsentiert wird.

– Jungbullen: männlich, unkastriert, Altersgrenze zwei Jahre
– Bullen: ebenso, aber älter als Jungbullen
– Ochsen: kastrierte Bullen
– Färsen: ausgewachsene weibliche Tiere, die noch kein Kalb hatten
– Kühe: ausgewachsen und mindestens ein Kalb

Diese Tiere sind nicht nur unterschiedlich alt, sondern auch unterschiedlich bemuskelt und haben einen unterschiedlichen Fettanteil im Schlachtkörper. Natürlich resultieren daraus auch völlig unterschiedliche Essqualitäten. Daher sollte der Einkäufer auch wissen, wofür das Fleisch bestimmt ist, zum Kurzbraten oder zum langen Schmoren: „Kurzbraten mit einem bindegewebsreichen Stuck wie der Wade führt ebenso zur Enttäuschung wie ein totgekochtes Filet.“ Dunkler und fetter sind meistens gute Hilfskriterien. Weiler empfiehlt daher Färsen- oder Ochsenfleisch statt beispielsweise Jungbulle und eine Reifedauer von mindestens drei Wochen. Für den Rindfleischkauf sei außerdem der Einkauf bei Landwirten mit Mutterkuhhaltung und Direktvermarktung ein guter Weg: „Der Vorteil dabei ist auch, dass man die Rasse des Tiers kennt und dass man sich meist aussuchen kann, ob man Fleisch von einem weiblichen (fetter und zarter) oder männlichen Tier (magerer, fleischreicher) haben möchte. Zudem werden die Tiere oft unter einem Jahr als Jungrinder geschlachtet.“ Ein Querschnitt durch die bekanntesten Rinderrassen, eine umfangreiche Warenkunde und Rezepte von Sternekoch Markus Eberhardinger ergänzen die umfassende Studie.

Zusammenfassend erklärt die Autorin: „Aber egal, wo Sie kaufen: Es gibt gutes Fleisch.“ Und sie fordert den Leser auf mitzuhelfen, „dass es weiterhin gutes Fleisch gibt, indem Sie den Landwirten helfen, unter unseren Billigpreis-Bedingungen durch Honorierung ihrer Produkte und Anerkennung ihrer Leistungen zu überleben.

Titel: FLEISCH ESSEN? Eine Aufklärung
Mit Rezepten und Warenkunde von Sternekoch Markus
Autorin: Dr. Ulrike Weiler
Verlag: Westend Verlag
ISBN 978-3-86489-123-6
Preis: 20,60 EUR

Bestellung unter: marion.allinger@laserverlag.at

 

Tags: , , , , , , , ,

Kategorie: Gastronomie | F&B

Durch die weitere Nutzung der Seite stimmst du der Verwendung von Cookies zu. Weitere Informationen

Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind auf "Cookies zulassen" eingestellt, um das beste Surferlebnis zu ermöglichen. Wenn du diese Website ohne Änderung der Cookie-Einstellungen verwendest oder auf "Akzeptieren" klickst, erklärst du sich damit einverstanden.

Schließen