Freiheit hinter Gittern

14. November 2017 Mehr

In der Ortenau, am Rande der barocken Innenstadt von Offenburg, eröffnete im September 2017 das neue Designhotel Liberty. Die Nähe zu Stadtzentrum, Bürgerpark und Messehallen ist zwar ein guter Grund, aber sicher nicht der einzige, dieses Projekt persönlich kennenzulernen, denn die einladenden Zimmer und Suiten befinden sich im ehemaligen Gefängnis der Stadt.

 

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Erbaut wurde das Offenburger Gefängnis zwischen 1843 und 1849 jenseits des Mauergrabens, nachdem Großherzog Leopold von Baden seinen Hofbaumeister Heinrich Hübsch mit dem Bau von mehreren Central-, Kreis- und Amtsgefängnissen nach amerikanischem Vorbild beauftragt hatte, damit Häftlinge nicht wie bisher notdürftig in überbelegten Stadttürmen untergebracht werden mussten. Zwei separate Gebäude boten nun ausreichend Platz für 40 Insassen und die Wohnung des Oberaufsehers. Vor allem Kleinkriminelle aber auch politische Straftäter waren hier in einfachen Zellen bzw. in dem etwas besser ausgestatteten „Bürgerzimmer“ untergebracht. Allgemeine Annehmlichkeiten wie Elektrizität und Zentralheizung, Duschen und eine Bibliothek kamen erst 1929 hinzu. Zuletzt diente das Haus vor allem zur Abschiebe-, Zivil- und Untersuchungshaft, konnte aber den Anforderungen des modernen Strafvollzugs nicht mehr genügen. Im April 2009 wurde die neue JVA im Westen Offenburgs mit 440 Plätzen für Straf- und Untersuchungshaft eröffnet und das Gefängnis an der Grabenallee schloss seine Tore – um diese nun als ungewöhnliches Designhotel wieder zu öffnen.

 

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Die beiden Häuser wurden durch einen Glaskubus verbunden, der Lobby, Bar und Restaurant beherbergt. Darüber schwebt ein Bankett-Raum für rund vierzig Personen. Auf einer Zwischenebene wurde ein halb-öffentliches Wohnzimmer für die Hotelgäste eingebaut, angelehnt an den früheren Gemeinschaftsraum der Häftlinge. Im zweiten Stock befindet sich ein Konferenzraum. Verbindendes Element im gesamten Bereich ist ein riesengroßes, stockwerkübergreifendes Bücherregal, das zum einen die Akustik im Glasgebäude verbessert, zum anderen aber auch dem Thema Zeit zuspielt: Zeit für Muße, Zeit für ein Buch, Zeit für den Moment.
Davon ausgehend, dass den ehemaligen Gefangenen die Zeit hier wohl oft unendlich lang erschienen sein muss, wird das „Zuviel an Zeit“ als zeitgemäßer Luxus interpretiert. Was zählt, ist der Moment, das Hier und Jetzt. Gleichzeitig bedeutet eingesperrt sein, so die Planer, auch „Schutz und Rückzug – vor sich selbst, den anderen und der Welt da draußen. Entbehrungen erfordern eine Konzentration auf das Wesentliche und bilden somit die Grundlage für Luxus.“
Luxus entsteht hier aber auch aus dem Kontrast. Neben den Zimmertüren positioniert, erinnern klein dimensionmierte Gefängnistüren an die ehemalige Nutzung des Hauses. Je nach Größe wurden zwei bis drei ehemalige Zellen zu einem Zimmer zusammengelegt, welches teilweise noch durch eine Verbindungstür mit dem nächsten verbunden ist. Eine transparente Abtrennung des Schlafbereichs nimmt die Beengtheit der ursprünglichen Räumgrößen auf, vermittelt zugleich aber auch das Gefühl der Geborgenheit. Freistehende Badewannen, bewusst wohnlich gestaltete Waschbereiche, kuschelige King­size-Betten und hochwertiges Mobiliar runden die Einrichtung ab.
Das Knastambiente ist einer modernen Wohlfühlatmosphäre gewichen, wird zugleich aber immer wieder zitiert. So kamen Originalgitter bei den WC-Spiegeln in den Damentoiletten zum Einsatz. Ähnlich einer Leiter, horizontal angeordnete Leuchten und in ein Seil eingebundene Lichtquellen spielen mit dem Gedanken an einen Gefängnisausbruch.
Ein offener Kamin als wärmendes Zentrum, die gut sortierte Bar als Begegnungsraum, ein Weinkeller voll erlesener Tropfen und das von Sterne-Koch Jeremy Biasiol geführte Restaurant „Brot und Wasser“ lassen Fluchtgedanken aber rasch verblassen. Nicht umsonst ist Liberty ein Member of Design Hotels und damit eines von 270 ausgewählten Hotels in 50 Ländern, die sich durch eine ungewöhnliche Idee, echte Gastlichkeit, kulturelle Authentizität, sowie Design und Architektur auszeichnen.

 

 

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Dicke Ziegelmauern mit vergitterten Fenstern, dunkler Stahl und grauer Boden, dazu „roughe“ Tische aus den alten Holzbalken, fügen sich gemeinsam mit viel Raum – sowohl in Bezug auf Weite als auch Höhe – und edlen Loungemöbeln zu einem einladenden Ambiente.

 

Hotel Liberty

Adresse:         Grabenallee 8, 77652 Offenburg ,www.hotel-liberty.de, www.designhotels.com

Planer:         Konrad Knoblauch GmbH
Planung:      2015 bis ins Frühjahr 2016
Bauzeit:         Nov. 2016 bis Sept. 2017
Eröffnung:     30. September 2017

 

Fotos: ©Jens Pfisterer

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Kategorie: Innovationen

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