Ohne Licht keine Farben

20. Februar 2015 Mehr

 

Interview — Die Bedeutung von Licht und Farbe und deren Wirkung auf den Menschen wird vermehrt Gegenstand von Planungsprozessen. Eine gezielte Integration dieser Aspekte von Beginn an sorgt für eine Aufwertung der Immobilie, kann zu ökonomischer sowie ökologischer Effizienz und vor allem in der Hotellerie zu Gesundheit und Wohlbefinden der Menschen beitragen. 

DI Pia Anna Buxbaum ist Architektin und Farbkonsulentin I.A.C.C. (Intern. Association of Color Consultants) in Wien. Vor zwölf Jahren erweiterte sie ihr berufliches Spektrum durch eine dreijährige Ausbildung um das auf farbpsychologischen Erkenntnissen basierende Wissen über die Wirkung von Licht und Farben auf den Menschen im Raum. Mit diesem Schwerpunkt bietet sie heute fachliche Beratung in puncto Atmosphäre für private und öffentliche Innen- und Außenräume an. hotelstyle & gastro gab die Licht- und Farbexpertin einen umfassenden Einblick in die Bedeutung und den Zusammenhang von Licht, Farbe, Wohlbefinden und Stimmungen.

 

 

Ohne Licht gibt es keine Farben. Wie gehen Sie damit um?

Für mich ist die Lichtqualität essenziell für die Farbgestaltung, weil sowohl das natürliche Licht variiert, als auch die Qualität von künstlichem Licht. Die gewählte Lichtfarbe ist ausschlaggebend dafür, wie gut die Farben im Raum sichtbar werden. Wie es auf die Anwendungsbereiche angepasste Leuchtmittel gibt, so sind auch ihre Lichtqualitäten unterschiedlich und dies sollte bei der Wahl eine große Rolle spielen. Denn es können nur jene Farben sichtbar gemacht werden, die auch im oberflächlich betrachtet weißen Licht als farbiger Lichtanteil enthalten sind. Denn wenn man z. B. rotes, blaues, gelbes und grünes Licht miteinander mischt, dann entsteht in Summe weißes Licht.

Gibt es von Ihnen bevorzugte Leuchtmittel, welche ihre Farbkonzepte besonders zur Geltung bringen?

Für mich ist der ökologische Aspekt sehr wichtig, daher bevorzuge ich Leuchtmittel, die wenig Energie benötigen. Allerdings gibt es tatsächlich etwas, das mich wenig überzeugt: Die Energiesparlampe. Sie ist in der Herstellung und Entsorgung unökologisch und problematisch (Quecksilber) und kann bestimmte Farben nicht wiedergeben. Ihr Einsatz in Hotelzimmern erschwert beispielsweise besonders älteren Menschen das Lesen, denn aufgrund ihres schlechten Farbwiedergabeindex scheint alles zu verschwimmen. Sie weist Lücken im Farblichtspektrum auf und daher erscheint die Umgebung wie leicht verschwommen. Sonnenlicht allerdings, als natürlicher Gegenpart, hat ein kontinuierliches Lichtspektrum, bringt daher die Farben am besten zum Leuchten und erzeugt klare Konturen.

Ein sehr guter Kompromiss sind warmtonige Halogenlampen. Sie haben einen recht guten Farbwiedergabeindex und geben ein sehr angenehmes Licht. Ihre Einsatzgebiete sind bevorzugt jene, die Gemütlichkeit ausstrahlen sollen, wie Zimmer, Frühstücksraum oder Lounge, denn sie kommen dem Spektrum natürlichen Sonnenlichtes sehr nahe und können gut gedimmt werden (was nicht bei allen LEDs der Fall ist). Auch LEDs sind eine sehr gute Alternative, von denen ich glaube, dass sie in Zukunft viel Verwendung finden werden. In dieser Richtung ist natürlich noch eine weitere Entwicklung notwendig, doch in gewissen Bereichen, wo sehr klares Licht erwünscht ist – z. B. Gänge, Küchen, Arbeits- oder Eingangszonen – sind LEDs ideal.

Der Wunsch, die Natur vermehrt ins Innere zu holen: Wie erklären Sie sich diesen „Trend“ und wie können Farb- und Lichtinszenierungen dabei sinnvoll unterstützen?

Eine Zeit lang waren weiße Innenräume modern und Farbstimulation wurde bewusst ausgelassen. Erst nach einiger Zeit erkannte man, dass Menschen mit unterschwelligem Stress auf eine Umgebung reagieren, die auf großen Flächen weiß ist. Der Mensch ist mit der Natur verbunden und bezieht vielfältige Stimulationen aus ihr. Eine schöne Möglichkeit wäre also, sich genau anzuschauen welche Prinzipien es in der Natur gibt, diese zu abstrahieren und sie im Innenraum – als Abstraktion – anzuwenden. Das heißt, man versucht unterschiedliche Lichtsituationen zu schaffen und vermehrt helle Farbnuancen im Raum zu verwenden:

Ein Boden, der dunkler und eine Decke, die heller als die Wand sind, sorgen für Stabilität und Orientierung. Natürliche Helligkeitsunterschiede aus der Natur, übertragen in ein vielleicht völlig anderes Farbkonzept – und eben abstrahiert. Das führt dazu, dass Menschen in einen Raum kommen und sich sofort sicher und wohl fühlen. Im besten Fall setzt man Tageslichtlampen ein, da diese den besten Farbwiedergabeindex im Bezug auf die Materialien und Oberflächen haben und uns nachweislich aktiver werden lassen.

Kann eine natürliche Spektralverteilung des Lichts von Farben unterstützt werden?

Ich würde eher sagen es ist umgekehrt. Das Licht bringt die Farben zum Leuchten und lässt sie erscheinen. Wenn das Licht bestimmte farbige Anteile – überspitzt gesagt – nicht hat, kann eine Oberfläche diese Anteile nicht reflektieren. Fehlt beispielsweise der rote Lichtanteil in einem Farbwiedergabespektrum, kann ich zwar eine rote Fläche verwenden, diese wird allerdings dann eher bräunlich erscheinen. Die Wahl guter Materialien ist viel weniger wert, setzt man anschließend das falsche Leuchtmittel ein.

Das Vorbild des Lichts ist die Sonne, sie hat ein ideales Spektrum – und es ist jenes, das wir auch gewohnt sind. Die Ra-Werte (Farbwiedergabeindex) treffen jedoch wenig bis keine Aussage darüber, wie die Lichtqualität ist. Das ist der Grund, warum ich Farbkonzepte immer auch mit den geplanten Leuchtmitteln abteste – auch teilweise vor Ort mit Farbmustern oder Testanstrichen. Hierbei geht es eher um die Qualität des künstlichen Lichtes.

 

 

Wie geht man in Restaurants und Hotels richtig mit den unterschiedlichen Raumgrößen und -höhen um?

Raumgrößen können durch Licht und Farbe optisch verändert werden. Es lassen sich durch kleine Tricks bauliche Mängel leicht ausgleichen und Innenräume attraktiver gestalten. Helles Licht und helle Farben an der Decke wirken erhöhend, weniger Licht und dunklere Farben lassen den Raum niedriger und in speziellen Fällen dadurch gemütlicher wirken. Wird die Wandfarbe beispielsweise über die Deckenkante oder eine Hohlkehle in die heller gestrichene Decke gezogen, so, dass ein Deckenspiegel entsteht, dann wirkt der Raum optisch höher. Oder wähle ich die Deckenfarbe eine Nuance dunkler als die Wand und ziehe diese ein Stück in die Wand, wird der Raum optisch niedriger.

Im Hotelbereich sind die Lobbies meist groß, der Empfangsbereich kann jedoch niedriger gehalten sein, um den Gast aufzunehmen und ihm das Gefühl von Geborgenheit zu vermitteln. In weitläufigen Räumen ist es wichtig unterschiedliche Zonen zu schaffen, um dem Gast die Orientierung zu erleichtern. Diese sollten genau definiert werden und das Licht so gestaltet sein, dass jene Atmosphäre entsteht, die vom Betreiber – zielgruppenorientiert – gewünscht wurde. Eine Lichtlösung für alle Situationen gibt es nicht. Es gilt eher eine angemessene und gut um- und eingesetzte Kombination aus Licht, Raum und Farbe zu finden. Um ausreichend Spannung zu erzeugen und eine klare Erkennbarkeit der Zonen zu gewährleisten, sollte eine zu gleichmäßige Ausleuchtung vermieden werden. Nicht außer Acht darf dabei das natürliche Licht gelassen werden, da es in Kombination mit künstlicher Beleuchtung zu speziellen Situationen mit Mischlicht kommen kann.

Tipps für energieeffiziente Gestaltungsmöglichkeiten in Hotelanlagen/Restaurants sowie auch diesbezüglich einfache Instandhaltungsmaßnahmen?

LEDs sind zwar in den Lichtfarben wie bereits erwähnt noch nicht ganz ausgereift, erzeugen allerdings eine sehr klare Stimmung mit scharfen Konturen. Es gibt sie warmtonig oder kühltonig und sie weisen eine hohe Lebensdauer und Effizienz auf. Auch wenn es noch große Qualitätsunterschiede bei den Produkten gibt.

Vor der Planung oder Umplanung sollte man eine genaue Analyse machen, welche Bereiche wie viel Licht benötigen, wo sich wer wie lange aufhält und welche Atmosphären erzielt werden sollen. Es können Räume nur dann effizient und zielorientiert umgestaltet werden, wenn man genau weiß, welche Stimmung man erreichen möchte. Setzt man in Betrieben bei Neuanstrichen auf ein durchdachtes Farbkonzept, kostet das relativ wenig, wirkt aber langfristig und nachhaltig. Auch hier wird die Farbwahl auf die gewünschte Atmosphäre abgestimmt. Daraus ergibt sich ein relativ schnelles ROI (Return on Investment) und die Zusatzinvestition besteht in dem Fall nur aus den Kosten des Farbgestalters und den 20 bis 30 % Mehrkosten für den Maler – was relativ wenig ist im Vergleich zu sonstigen Investitionen, die in Bereichen dieser Größenordnung oft getätigt werden müssen. Im Bezug auf die Lichtgestaltung würde ich die wichtigsten Bereiche definieren, ein Gesamtkonzept für den gesamten Betrieb entwickeln und stufenweise, je nach finanziellen Mitteln, modernisieren.

Ebenso kann die Farbwahl das subjektive Temperaturempfinden in den Räumen beeinflussen. Abgestimmt mit der Beleuchtung kann das Empfinden um zwei bis drei Grad verändert werden, sodass dadurch weniger geheizt oder gekühlt werden muss – je nachdem, um welchen Gebäudebereich es sich handelt. In einem Raum bedarf es immer einer gewissen Kontrastsetzung bei den Farbgebungen, um durch eine ausgewogene Balance der Spannungen wiederum Harmonie zu erzeugen. Auch die Verbesserungen der Raumsituationen sind ein wichtiges Thema. Soll ein kalter, nach Norden ausgerichteter Raum aufgewertet werden, bediene ich mich überwiegend warmer, sonniger Farben und füge ihnen allerdings eine Nuance Frische hinzu. Neigen Räumen durch ihre Himmelsausrichtung tendenziell zur Überhitzung, kann dem durch kühle Farbgebungen entgegengewirkt werden. Dies wären z. B. einfache Tricks, um Betrieben mit älteren Strukturen und geringerem Budget Lösungen anzubieten.

Eine weitere spannende Maßnahme, der leider viel zu wenig Beachtung geschenkt wird, ist eine intelligente Tageslichtlenkung mit speziellen Jalousien oder light shelves. Solche Hilfsmittel lenken natürliches Licht gezielt in den Innenraum, und zwar genau dorthin, wo es nötig ist. Dadurch können die Phasen für den Einsatz künstlichen Lichts verkürzt und so langfristig Energiekosten gespart werden.

Sehen Sie (oft) Ausführungen/Installationen von denen Sie meinen, es hätte besser gehen können? Woran scheitern diese meist?

Speziell in der Lobby von Hotels habe ich manchmal das Gefühl, dass über die Sammlung von exklusiven Materialien und exklusiven Einzelelementen die Gesamtwirkung aus den Augen verloren wurde. Jedes Element für sich ist wunderschön, doch alle zusammen konkurrieren nur miteinander. Auch ist es oft so, dass die Farbtöne der unterschiedlichen Materialien nicht aufeinander abgestimmt wurden. Ein gelblicher Farbton aus dem warmtonigen Bereich z. B. verträgt sich mit einem kühlen Gelb überhaupt nicht – und solche Situationen wirken sehr störend.

Speziell räumlich ineinanderfließende Bereiche, wie Empfang, Lounge und Bar sollen dem Besucher ganz verschiedene Stimmungseinheiten bieten. Hier ist es schwierig zu gestalten, also ist eine strikte Trennung ein Muss – doch ist dabei gleichzeitig ein Zusammenhang zwischen ihnen zu schaffen. Gleiches Prinzip gilt auch für Wellnessbereiche, deren unterschiedliche Aufenthaltsräume in einer gewissen Spannung, und dennoch im Einklang miteinander stehen sollten. Oft ist weniger hier mehr. Es kommt auch oft vor, dass Farben und Materialien nicht in dem Licht getestet wurden, in dem sie dann in Wirklichkeit nebeneinander eingesetzt werden. Verschiedene Leuchtmittel bringen manche Farben besser zum Erscheinen und andere weniger, es kommt zu Farbverschiebungen. Das wiederum bedeutet, dass eine gegenseitige Abstimmung der eingesetzten Elemente ein unabdingbarer Prozess sein sollte, um Irritationen zu vermeiden.

 

 

Mit welchen Farben und Lichtstimmungen können Emotionen beim Gast erzeugt werden und welche?

Wieder geht es hier um ein Gesamtkonzept. Das Licht sollte die Farben sichtbar machen und mit jeder Licht- und Farbkombination können über die Atmosphäre Emotionen beim Gast erzeugt werden. Mann kann keine bestimmte Emotion einer Farbe oder Licht-setzung zuschreiben, denn es gibt in einem Raum mehrere Farben und auch Lichtsituationen über den Tag verteilt. Alle Farben beeinflussen sich gegenseitig und das Licht kommt über die Farb-Licht-Qualität als weiterer Faktor hinzu. Insgesamt ist es wichtig, das Motiv des Raumes und die gewünschte Atmosphäre zu definieren und danach zu planen. Dann kann ein stimmiges Gesamtkonzept entstehen, das in sich schlüssig ist und den Gast anspricht – sprich es sorgt für Klarheit und Orientierung.

Eine zu gleichmäßige Ausleuchtung eines Raumes kann zu einer schattenlosen Umgebung führen, was wiederum Unbehagen beim Rezipienten auslöst. Denn der Mensch braucht Licht und Schatten, um sich zu orientieren und sich wohlzufühlen. Man kann Farben auch so einsetzten, dass vorhandene Geräusche als weniger störend empfunden werden, sprich es gibt „dämpfende“ Farben. Das Ergebnis hängt wieder einmal von der Abstimmung der Farben untereinander ab. Geringe Kontraste, sanfte, eher vergraute Farben, etc. können die akustischen Bedingungen eines Raumes subjektiv verbessern.

Abhängig vom Projekt, vom Zielpublikum und den gewünschten Ergebnissen die Stimmung betreffend, ist eine Gestaltung mit heimeligem Charakter möglich, doch können auch modern und kühl organisierte Räumlichkeiten als angenehm empfunden werden. Bei Restaurants kommt noch die Präsentation der Speisen durch gezielt gesetzte Licht-inszenierungen hinzu. Generell kann man sagen, dass ein ständiges Wechselspiel zwischen Benutzer, Besucher und dem Objekt selbst besteht und diese sich untereinander und gegenseitig auffangen sollten.

Wie ist der gesundheitliche Aspekt bei Licht und Farbe?

Hier kommt dem Blauanteil im Licht eine tragende Rolle zu, da er den Tagesrhythmus des Menschen beeinflusst. D. h. ein Leuchtmittel, welches einen hohen Blauanteil hat, ist in einem Bereich, in dem man gerne munter sein möchte angemessen. Suche ich allerdings nach einem Leuchtmittel für den Ruhe- oder sogar Schlafbereich, greife ich lieber zu einem Leuchtmittel mit überwiegend rötlichem Farblichtanteil.

Fazit: Was kann der gezielte Einsatz von Licht bewirken?

Der ausgewählte und gezielte Einsatz von Licht kann zonieren, optisch aufwerten, Räume strecken, verkleinern oder strukturieren, Orientierung bringen, verstärkt Aufmerksamkeit auf etwas lenken oder mit einem warmen, gedämpften Licht für heimelige Atmosphären sorgen. Kurz: Das Licht verändert unsere Wahrnehmung des Raumes und unser Wohlgefühl.

Vielen Dank für das Gespräch!

www.archicolor.at

 

Interview: Anja Leinich / Fotos: Motel One / Michael Huber / InterContinetal Davos / Pia Odorizzi / Günter Standl / Egbert Krupp / Luigi Caputo

 

Buchtipp: Farben der Hotels (Callwey)

 

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Kategorie: Kolumnen

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