Karl Schillingers Swing Kitchen

19. August 2016 Mehr

Swing to vegan.
In Großmugl, auf halbem Weg zwischen Wien und der tschechischen Grenze, dort, wo der Nachthimmel noch frei von Lichtverschmutzung funkeln darf, führt Karl Schillinger seit knapp 20 Jahren ein traditionelles Wirtshaus mit gutbürgerlicher Küche. Das Besondere: In seiner Speisekarte finden Gäste ausschließlich vegane (rein pflanzliche) Gerichte, die allesamt 100 Prozent cholesterinfrei und besonders klimafreundlich sind.

Schillinger_Martini Gansl

Von Vorspeisen wie „Fleisch“-Strudelsuppe, „Tunfisch“-Salat, und Gebratener „Ente“ über „Backhendl“, „Wildragout“ und „Kotelette aus der Pfanne“ als Hauptgericht bis zu „Tiramisu“, „Nougatknödel“ und der abwechslungsreichen Eiskarte kommen alle Gerichte ohne jegliche tierische Produkte aus. Ein Highlight – und daher meist schon Wochen im Voraus gebucht – ist auch das vegane Martini- „Gansl“. Das Rezept dazu verrät uns der Küchenchef ebenso wie das für sein Tiramisu, auf das er ebenfalls recht stolz ist. Immerhin wird diese Süßspeise üblicherweise zu einem großen Teil aus Milchprodukten hergestellt.
Besonders beliebt sind bei den Gästen auch die Snacks und Burger des Hauses. Deshalb gibt es den Chiliburger, den Falafel Wrap und viele andere seit kurzem auch in Wien. Die auf veganes Streetfood spezialisierte Swing Kitchen ist derzeit an zwei Standorten zu finden, dort aber so erfolgreich, dass bereits weiter expandiert wird, u.a. mit einem Lokal in der SCS Vösendorf, das im September 2016 eröffnen wird. Wir sprachen mit Karl Schillinger über seinen Zugang zur veganen Küche und wie es dazu kam:

Wie wird ein Wirt vegan? Wie kam es dazu?
Vegetarisch lebe ich ja schon lange. Das hat bereits 1987 begonnen, als mein Vater plötzlich gestorben ist und ich, gerade 19 Jahre alt, gemeinsam mit meiner Mutter versuchte, unser Wirtshaus so gut als möglich weiterzuführen. Mein Vater hat immer Hausschlachtungen gemacht. Eines Tages hat dann wieder eines der Schweine sein Schlachtgewicht erreicht und meine Mutter und ich gingen in den Stall.

Ich nehme an, das Schwein wurde nicht geschlachtet?
Nein. Wir schauten das Schwein an. Das Schwein schaute uns an. Und das war’s. Natürlich hätten wir es auch von einem anderen schlachten lassen können. Aber das wäre unsportlich gewesen. Unsere Schweine haben dann ein sehr schönes Zuhause bekommen, sind halt richtige Haustiere geworden. Ja, und in der Folge haben dann meine Mutter, ich und meine beiden Schwestern eben gar kein Fleisch mehr gegessen.

Aber Sie sind nicht beim vegetarischen Essen geblieben? Seit wann leben Sie vegan?
Das war ein längerer Prozess. Ich habe schon seit einer Weile keinen Käse und keine Eier mehr konsumiert, bevor ich vor etwa 20 Jahren bemerkt habe, dass ich eigentlich gleich vegan essen und kochen könnte. Heute switchen die Leute viel schneller, probieren die vegetarische Küche und sind am nächsten Tag vegan. Das liegt vermutlich auch an der allgemeinen Akzeptanz. Früher mussten wir fast verheimlichen, dass bei unseren Speisen kein „echtes Fleisch“ dabei ist. Naja, jedenfalls haben wir es nicht lautstark beworben, sondern eher betont, dass wir cholesterinfrei und g’sund kochen.

War der Verzicht je ein Problem? Damals war es ja noch nicht so einfach, Fleischersatz zu bekommen?
Ja, am Anfang bestand das vegane Essen vor allem im Weglassen. Wir waren froh, als endlich die ersten Tofu-Würstel auf dem Markt waren. Heute würde ich so etwas nicht mehr essen.

Man hört ja oft, dass Fleischersatz gar nicht so unbedenklich ist – gesundheitlich und auch in der Herstellung. Was halten Sie davon?
Ich ernähre mich hauptsächlich von Fleischersatz. In Bezug auf die Gesundheit spricht zum Beispiel dafür, dass er cholesterinfrei ist. Und in der Herstellung ist er meiner Ansicht nach unbedenklicher als sein tierisches Vorbild. Allein für einen Kilo Schweinefleisch – der bei der Zubereitung auch noch an Gewicht verliert – brauche ich etwa 10 kg Sojabohnen als Futtermittel. Für 1 kg Fleischalternative nur 2,4 kg.

Und wie steht es um die Zutaten?
Fleischersatz besteht aus hochwertigem Eiweiß, aus Weizen oder Sojabohnen. Dazu kommen noch Wasser und Gewürze, im Vakuumextruder schonend zubereitet. Und für die Gluten nimmt man einfach Weizenmehl 1050 oder 920, diese Sorten haben am meisten Eiweiß, Majoran oder andere Kräuter, Gewürze und Wasser. Beim Verkneten tritt Stärke aus. Das wird acht bis neun Mal wiederholt, bis reines Weizeneiweiß übrigbleibt. Das wird dann in einem Gewürzsud gekocht. Fertig. Genauso einfach funtioniert das auch mit Soja. Man muss eben wissen, was drin ist, selber machen oder wissen, wo man kauft.

Und wenn ein Wirt einfach nur ein, zwei vegane Gerichte anbieten möchte?
Dann ist Pasta ideal! Nudeln ohne Ei gibt es ohnehin überall. Dazu Soja-Obers statt Sahne verwenden und verschiedene Gemüsesorten und schon hat man eine Reihe guter, veganer Gerichte.

Weiterführende Infos
Web: www.schillinger.co
Web: www.swingkitchen.com

REZEPT:

veganes_Martini_Gansl

Veganes Martini-“Gans‘l“
mit Erdäpfelknödel, Rotkraut
und Zwiebel-Bratensaft

Zutaten
800 g Erdäpfel
200 g glattes Mehl für Knödel
50 g Mehl für Zwiebeljus
30 g Grieß
Salz
Pfeffer
1 großes oder 2 kleine Happel Rotkraut
8 große Zwiebeln
2 Äpfel
Rapsöl
2 EL brauner Biozucker
5 EL Zitronensaft
300 ml Rotwein
100 ml Orangensaft
Gewürzmischung (bestehend aus 4 Gewürznelken, 5 Pimentkörner, 7 Wacholderbeeren, 4 Lorbeerblätter, 10 schwarze Pfefferkörner)
1 Zimtstange
100 g Preiselbeermarmelade
Gemüsebouillon (kann auch eine pflanzliche Instantsuppe sein)
1 EL Malzessig
50 g Pflanzenbutter
4 Seitanfilets (Weizeneiweiß)

Zubereitung Erdäpfelknödel
Die Erdäpfel reiben und mit ein wenig lauwarmen Wasser kräftig durchkneten. 200 g glattes Mehl, 30 g Weizengrieß und etwas Salz dazu geben. Die Masse zu Knödel formen und in heißem Salzwasser 10 bis 15 Minuten kochen bis die Knödel aufschwimmen.

Rotkraut
Das Rotkraut in Streifen schneiden und am Vortag mit Zitronensaft, Orangensaft und Salz marinieren. In einer Kasserolle etwas Rapsöl erhitzen und 3 große in feine Streifen geschnittene Zwiebel hell andünsten. Etwas braunen Biozucker mit karamellisieren lassen und mit Rotwein ablöschen. Das fein geschnittene Rotkraut dazugeben und rund 45 Minuten dünsten. Hin und wieder, wenn das Kraut zu dicklich einkocht, etwas Gemüsebouillon dazu geben. Den Apfel reißen und mit den Preiselbeeren, der zerstoßenen Gewürzmischung und der Zimtstange in das Rotkraut geben und nochmals 15 Minuten dünsten lassen. Mit Salz, Pfeffer und etwas Gemüsebouillon abschmecken und anrichten.

“Gans‘l“
Seitan in mittelgroße Stücke schneiden, in Mehl wenden und in heißem Rapsöl knusprig braten. Seitan aus der Pfanne nehmen und kleinwürfelig gehackten Zwiebel unter kräftigem Rühren anrösten, bis er braun ist. Mit etwas Rotwein ablöschen und den Zwiebeljus dazugeben. Etwas einkochen lassen und mit ein wenig Gemüsebouillon zur gewünschten Konsistenz rühren.

Zwiebeljus
20 g Öl in eine erhitzte Pfanne geben und 4 klein geschnittene Zwiebeln dazu geben. Salz und Pfeffer dazu und unter ständigem Rühren glasig anschwitzen. Den Malzessig hinzufügen und für ca. 10 Minuten kochen lassen. Die Alsan-Pflanzenbutter unterrühren bis sie geschmolzen ist und danach das Mehl gut unterrühren. Zum Schluss ca. 300 ml Gemüsebouillon dazu geben. Danach weiter kochen und bis zur gewünschten Konsistenz einkochen lassen.

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Kategorie: Gastronomie | F&B

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