Much more than cocktails!

13. September 2012 Mehr

Much more than cocktails!

Phillip M. Ernst ist Österreichs erster IBA (International Bartender Association) Master of Bartending, Wine & Spirits und gilt als Kenner und Insider der heimischen wie internationalen Bar- und Clubszene. Im Gespräch mit hotelstyle verrät er, was eine gute Bar ausmacht und wie man flüssige Highlights perfekt in Szene setzt.

Much more than cocktails!

hotelstyle: Sie kommen gerade von der Berliner Fashion Week – ein Hotspot für neueste Trends. Was haben Sie dort gemacht?

Phillip M. Ernst: Ich habe mit meinem Team exklusiv für Armani gemixt, bei einem Clubbing in einem perfekt designten Lounge-Bereich. Wir durften rund 500 Gäste mit den besten Drinks verwöhnen – unter anderem mit einem „Rhubarb Cocktail“, einem Drink, der mit fruchtigen Zutaten wie Apfelsaft und Rhabarber gemixt wird. Und natürlich haben wir selbst auch wieder ein bisschen über den Tellerrand geblickt und uns informiert, was so an Trends auf uns zukommt.

hotelstyle: Zurück in Österreich: Welchen Stellenwert haben bei uns Drinks & Cocktails?

Phillip M. Ernst: Ehrlich gesagt: Leider immer noch einen sehr geringen. Das Verständnis für die Kunst des Bartendings ist nach wie vor nicht sehr hoch. Sicherlich hat das auch mit einem gelernten Trinkverhalten zu tun, Wein hat ja seit jeher bei uns eine große Rolle gespielt. Aber wenn wir als Tourismusland international bestehen wollen, kann man das Thema „Drinks & Cocktails“ nicht ignorieren. Wir hinken in der Praxis gut 20 Jahre mit unserem Know-how hinterher. Und noch immer verstehen viele Österreicher unter einem guten Drink eine süßliche, nach Kokosnuss schmeckende Flüssigkeit, serviert in einer Art Eisbecher mit Plastikschirm und buntem Trinkhalm.

hotelstyle: Der Beruf des Bar-Tenders ist in Österreich noch relativ jung. Sind die Möglichkeiten der Ausbildung international gesehen mittlerweile gut genug oder ist die Auslandserfahrung nach wie vor unerlässlich?

Phillip M. Ernst: Die gute Nachricht: Der Bedarf an guten Bar-Tendern ist in Österreich sehr groß. Die schlechte Nachricht: Hotellerie und Gastronomie bekommen selten das Personal, das sie sich wünschen würden. Denn die Ausbildungsmöglichkeiten sind hierzulande noch immer nicht ausreichend für einen Bar-Tender, der wirklich professionell arbeiten will. Man schult teilweise veraltete Techniken und ist einfach nicht zeitgemäß unterwegs. Genau genommen gibt es derzeit weltweit nur drei Barschulen, in denen man sich zum Spitzenprofi ausbilden lassen kann: Die IBA bietet die Ausbildung zum Master of Bar-Tending, Wine & Spirits, das ist der höchste Level einer BarTender-Ausbildung, nur in Rostock, Singapur und Südamerika an. Danach muss man wie beim Kochen aber einfach seinen Horizont ständig erweitern, Neues kennen lernen und viel experimentieren.

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hotelstyle: Was macht einen guten Bar-Tender aus? Was raten Sie Hoteliers und Gastronomen, worauf sollten diese bei der Personalwahl achten?

Phillip M. Ernst: Klar, dass ein Bar-Tender kommunikativ, flexibel, sympathisch und auch selbstbewusst sein soll. Man steht ja bei seiner Arbeit permanent auf der Bühne. Was aber oft vergessen wird: Es ist wichtig, ein großes Allgemeinwissen zu haben. Die Gäste suchen an der Bar das Gespräch, und gerade in der gehobenen Hotellerie und Gastronomie wird vorausgesetzt, dass man über geschichtliche wie aktuelle Geschehnisse informiert ist. Wobei es beim Plaudern ein absolutes Tabuthema für einen Bar-Tender gibt – die Parteipolitik. Darüber sollte man auch mit Stammgästen niemals diskutieren, sondern mit Feingefühl zu unverbindlicheren Themen überleiten. Aber der Bar-Tender ist natürlich auch ein Geschichtenerzähler und eine Art Beichtvater – zu später Stunde sitzt die Zunge oft sehr locker. Hier gilt: Du hast nichts gehört, nichts gesehen!

hotelstyle: Was macht eine gute Bar für Sie aus?

Phillip M. Ernst: Es gibt sehr unterschiedliche Bartypen, von der klassischen American Bar bis hin zur Clubbinglocation. Meine Erfahrung zeigt, dass sich die Gäste nach wie vor in gemütlichen und zeitlosen Räumen am wohlsten fühlen. Wichtig ist ein durchgängiges Konzept – das Ambiente muss mit dem Getränkeangebot und der Musik im Einklang stehen. Und ganz wichtig: Der Spaßfaktor Barkeeper! – Sie können die bestdesignte Bar besitzen, wenn Ihre Barkeeper den Job nicht mit vollem Einsatz leben, wird die Bar niemals erfolgreich laufen. Und wirklich wichtig ist in diesem Zusammenhang auch die Funktionalität des Arbeitsplatzes: Wie in einer Gastronomieküche im Idealfall der Koch über die Ausstattung mitbestimmt, so sollte auch ein Profibarkeeper eine Bar mitplanen. Denn es müssen auf relativ engem Raum unzählige Arbeitsschritte – im Team perfekt aufeinander abgestimmt – absolviert werden. Und da werden oft Kleinigkeiten, die schlecht geplant wurden, ganz rasch zu einer echten Hürde – was wiederum die Arbeitslust und den Spaßfaktor des Personals erheblich mindern kann.

hotelstyle: Lange Zeit waren Cocktails fruchtig und süß gewünscht. Welche Geschmackstrends sind gerade in, welche Neuheiten gibt es?

Phillip M. Ernst: Der Trend geht eindeutig weg vom Süßen – hin zu Eigenkreationen mit sehr subtilen Geschmacksrichtungen. Wir arbeiten derzeit viel mit Rosmarin, Basilikum oder auch naturtrübem Apfelsaft. Für ein differenziertes Geschmackserlebnis braucht es aber auch die richtigen Techniken, wie beispielsweise das „Jiggen“. „Jigger“ sind Messbecher mit sehr feinen Maßunterteilungen, mit welchen sich Drinks sehr exakt in der immer wieder gleichen Geschmacksvielfalt mixen lassen. Denn man darf nicht vergessen, dass wir in cl-Einheiten messen. Während sie in einer Gastronomieküche eine versalzene 5-Liter-Soße noch mit etwas Glück retten können – indem man sie beispielsweise streckt – ist ein Drink mit Zutaten in cl-Einheiten bei einem Fehler unrettbar verloren. Immer öfter stellen Bar-Tender übrigens auch ihre eigenen Basisprodukte mittels Infusionen her, was ein noch breiteres Spielfeld für Experimente erlaubt. In eine Flasche Gin wird beispielsweise ein Säckchen schwarzer Tee oder Thai-Tee gehängt und je nach Ziehdauer erhält man eine völlig neue Geschmackskomponente.

hotelstyle: Diese Rezepturen dafür werden dann vermutlich streng geheim gehalten?

Phillip M. Ernst: Diese neuen Essenzen und Mischungen gelten als etwas Besonderes und werden natürlich nicht verraten. Damit können spezielle Drinks, die es dann ausschließlich nur in einer bestimmten Bar gibt, nicht kopiert werden. Im Sinne eines guten Marketings steht aber dann die Flasche natürlich im Blickfeld des Gastes im Regal mit dem Etikett „Secret of home“ oder Ähnlichem. Manchmal werden Sirupe oder Liköre auch abgefüllt und stehen vor Ort zum Verkauf für den Gast – für ein perfektes Geschmackserlebnis auch zu Hause.

hotelstyle: Die Drink-Kultur geht also eindeutig in Richtung Experimente?

Phillip M. Ernst: Es ist wie beim Essen: Es gibt wesentlich mehr zu entdecken, als das Schnitzel! – Aus den Geschmacksrichtungen süß, bitter, sauer und salzig lässt sich unendlich viel Kreatives machen. Immer öfter machen sich Bar-Tender-Experten auch „umami“, eine relativ jung entdeckte Grundqualität unseres Geschmackssinns zunutze. – Es ist die Wahrnehmung von proteinreichen Nahrungsmitteln. Immer öfter wird Drinks daher flüssiges Eiweiß beigegeben, was die Drinks in ihrer Konsistenz besonders cremig und geschmeidig macht. Zudem lassen sich damit auch wunderbar Schaumkronen zaubern – auch optisch ein echtes Highlight.

Much more than cocktails!

hotelstyle: Die Präsentation eines Drinks ist natürlich sehr wichtig. – Das Auge trinkt mit. Womit dekorieren Sie?

Phillip M. Ernst: Ich persönlich finde, dass der Drink im Mittelpunkt stehen sollte. Auf gar keinen Fall gehen irgendwelche Plastikdekorationen, wie das lange Zeit chic war. Ich nehme sehr gerne – geschmacklich abgestimmt auf den jeweiligen Drink –Zesten von Zitrusfrüchten. Sie sehen schön aus und unterstützen in puncto Geruch die Aromen des Glasinhaltes. Aber auch Vanilleschoten, Lemongras oder Rosmarinzweige können sehr edel aussehen. Es ist jedoch wichtig zu wissen, dass diese Art der Deko den Drink beeinflusst und daher perfekt harmonieren muss – denn die Geschmacksnoten eines Drinks sind oft filigran. Bei einem Bar-Tender-Wettbewerb darf eine solche Deko die Flüssigkeit übrigens nicht berühren, sonst gilt sie als Zutat.

hotelstyle: Und worin servieren Sie Ihre Drinks?

Phillip M. Ernst: Nur in hochwertigen Gläsern und Schalen. Denn wie beim Wein ist auch beim Drink die Beschaffenheit des Materials für eine hohe Geschmacksintensität ganz entscheidend. In puncto Design sind die Zeiten, als man alles in eine Art Eisbecherglas gegossen hat, zum Glück vorbei. Momentan spürt man ganz stark den Spirit der 1920er- und 1930er-Jahre: Schön geschliffene Kristallgläser, hohe elegante Schalen oder auch formschöne Weingläser geben einen tollen Rahmen. Ein Kardinalfehler stellt übrigens die Beigabe von Trinkhalmen dar: Bis auf ganz wenige Ausnahmen sollte man darauf verzichten, da die Aromen sonst nicht intensiv genug auf der Zunge landen.

hotelstyle: Eiswürfel – ja oder nein?

Phillip M. Ernst: Bestimmte Drinks – und gerade Sommerdrinks – brauchen eine entsprechende Kühlung, damit sie frisch und lebendig schmecken. Aber auch hier muss man wissen, wie es geht. Wir verwenden nur Volleiswürfel, Cubes von genau 5 mal 5 cm, die wir selbst produzieren. Diese schmelzen im Glas genau in der richtigen Geschwindigkeit und kühlen, ohne den Geschmack zu verwässern.

hotelstyle: Was mixen Sie eigentlich Spannendes für Leute, die keinen Alkohol trinken?

Phillip M. Ernst: Für die mixe ich gar nichts. (lacht)

hotelstyle: Ich nehme an, einen antialkoholischen Fruchtcocktail oder Ähnliches?

Phillip M. Ernst: Den Begriff „antialkoholischer Cocktail“ gibt es streng genommen nicht, denn ein Cocktail ist immer mit Alkohol gemixt. Das Schwierige bei antialkoholischen Mix-Getränken: Sie müssen genau auf jenen Bestandteil verzichten, der die Geschmacksvielfalt einer Kreation erst ermöglicht, nämlich Alkohol. Ein guter Rum hat beispielsweise an die 2.500 Aromastoffe – wie wollen sie diese ersetzen? Mit Orangensaft?

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hotelstyle: Was macht eine gute Getränkekarte aus?

Phillip M. Ernst: Die beste Getränkekarte ist quasi der Bar-Tender selbst. Aber natürlich hat man nicht immer Zeit, jeden Gast persönlich zu beraten. Deshalb empfehle ich vor allem Übersichtlichkeit. Nichts schlimmer als zig Drinks zu listen – und dann bestellt der Gast Wein oder Bier, weil er sich eh nicht auskennt. Wie bei einer guten Speisekarte würde ich zusätzlich ein saisonales Angebot präsentieren – mit fünf bis sechs Kreationen, die kurz beschrieben sind. Ich war jüngst in einer Münchner Bar, dort wurden „Japanische Wochen“ gefeiert. Die Drinks wurden mit Reiswein, japanischem Whiskey – der übrigens hervorragend ist – und entsprechenden Früchten und Gemüsen gemixt. An solchen Themen kann sich der Gast leicht orientieren und er weiß, was ihn erwartet.

hotelstyle: Wenn ich eine neue Bar plane und ein tolles Beispiel sehen will – wohin schicken Sie mich?

Phillip M. Ernst: Die Hochburgen des Bar-Tendings liegen in London, Berlin, New York und Singapur – hier zeigt man schon lange sehr eindrucksvoll, was man aus dem Thema alles machen kann. Mein Favorit derzeit ist die Bar „Apotheke“ in New York, China Town. Sie ist tatsächlich eine ehemalige Apotheke, wo das System der Apothekenschränke übernommen worden ist. Diese Bar widerspiegelt damit die eigentliche Tätigkeit eines Bar-Tenders – wir mischen wie Apotheker kleinste Mengen unterschiedlicher Flüssigkeiten und Essenzen.

hotelstyle: Dieser Sommer hat es hitzemäßig wirklich in sich. Ihr persönlich bester Tipp für einen feinen Sommerdrink?

Phillip M. Ernst: Derzeit ein „Moscow Mule“, mit Wodka, Ginger Beer, Limettensaft und Angosturabitter. Er wird traditionell in einer Kupfertasse serviert. Der Moscow Mule wurde 1941 von John G. Martin erfunden und war in den frühen 1950er-Jahren für die Popularität von Wodka in den USA verantwortlich. Eine wirklich spannende Geschichte, die ich Ihren Lesern weitererzähle, wenn sie mich mal an der Bar besuchen…

Herzlichen Dank für das Gespräch!

 

Phillip M. Ernst ist Eigentümer von „More than Cocktails“, ein professioneller Partner für Events aller Art und Messen. Das Team unterstützt auch bei Bareröffnungen, der Erstellung von Cocktailkarten und bietet Schulungen für Mitarbeiter – auf Wunsch direkt vor Ort. Weitere Informationen unter: www.more-than-cocktails.com 

 

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Kategorie: Gastronomie | F&B

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