Kochen ist Kopfkino

5. Mai 2015 Mehr

 

Interview — Geradezu als Rock’n’Roll bezeichnet Gault&Millau die anarchistische Kreativität des 3-Hauben-Kochs Tom Riederer. Im Herbst 2014 eröffnete er gemeinsam mit Ehefrau Katarina in St. Andrä im Sausal sein neues Gourmetrestaurant Tom® inklusive edel und einladend designten Gästezimmern im historischen Pfarrhof. hotelstyle & gastro berichtete ausführlich in Ausgabe 7 / 2014.

Maximal 26 Gäste werden pro Abend bekocht. Speisekarte gibt es nicht, doch das stört die vielen Stammgäste keineswegs, wenn sie das abwechslungsreiche 13-gängige Menü – teils bis zu über vier Stunden lang – rundum genießen. Ob vegetarische Cevapcici mit Interpretation der Debreziner, Erdäpfelcreme mit Gelbflossenmakrele und Urkarotte oder 63-Grad-Ei mit Basilikumspinat – die Kreativität des gefeierten Autodidakten kennt keine Grenzen. Auch wenn es um so wichtige Themen wie Verschwendung von Lebensmitteln geht. (2011 veröffentlichte Tom Riederer das Taschenbuch „Nur der Idiot wirft’s weg“ mit köstlichen Rezeptideen contra waste.)

Basis aller Gerichte sind regionale Zutaten, Produkte aus dem eigenen Garten aber auch die verschiedenen Verwertungsmöglichkeiten von Schafen, Ziegen, Hühnern und Hasen, für die der ambitionierte Spitzenkoch eigene Gehege baute. Und die nun „From Nose to Tail“ verarbeitet und in seine Menüs integriert werden. hotelstyle & gastro sprach mit dem unkonventionellen Spitzenkoch aus der Südsteiermark über Philosophie, Konzept und Hardware seiner mehrfach ausgezeichneten Küche:

 

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Wann haben Sie das Kochen für sich entdeckt?

Anfänglich gar nicht, aber dann wurde es meine neue Arbeit und jetzt ist es Passion. Etwas zu machen, was Spaß macht, ohne Regeln von anderen einzuhalten, ist das Schönste, was es gibt!

Wie würden Sie Ihren Zugang / Ihr Konzept beschreiben?

Es ist so, dass der Umgang mit Zeit und auch Produkten das Konzept unterstützen, jedoch um es zu runden, benötigt man noch Ideen, Lust und Liebe. Kochen und Gäste verwöhnen ist ein Kopfkino und jeder hat so seine Vorstellung davon!

Was zeichnet ein gelungenes Menü aus? Was geht gar nicht?

Wenn es keinem schmeckt – das geht natürlich gar nicht. Wenn aber alle Teller leer gegessen sind – dann ist das Menü wirklich gelungen! Essen hat viel mit Harmonie zu tun und so sollen auch die Teller sein!

Was ist das Besondere an Ihrer Küche? Wie ist das Feedback der Gäste?

Meine Küche ist einfach, sie ist aber trotzdem vielfältig mit der gewissen Bodenhaftung. Seitdem wir in unseren neuen Räumlichkeiten arbeiten, ist das durchgängige Konzept noch puristischer und deswegen wird es auch noch mehr gelobt!

Wie gehen Sie mit Sonderwünschen (vegetarisch/vegan) und Allergien um?

Sonderwünsche sind kein Problem. Jeder hat seine Berechtigung. Grundsätzlich basiert unsere Küche auf vegetarischen, teils veganen Speisen. Fisch, Fleisch oder Geflügel sind lediglich ein Zubrot.

Welche Rolle spielt für Sie die aktuelle Kennzeichnungspflicht von Allergenen?

Man kann es sehen wie man es will, es ist ein Gesetz und es wird umgesetzt. Nachdem es bei uns keine Speisekarte gibt, werden die Gäste im Vorfeld darauf hingewiesen, uns mitzuteilen, welche Einschränkungen sie haben. Grundsätzlich haben wir aber festgestellt, dass die Einschränkungen unserer Gäste seit zwei oder drei Jahren wieder um vieles weniger sind. Unsere Gäste wollen bei uns genießen und organisieren sich daher wohl auch im Vorfeld selbst sehr gut, ohne dafür Einschränkungen unsererseits in Kauf nehmen zu wollen.

Wie stehen Sie zu Convenience-Produkten?

Zu selbst gemachten absolut, denn wenn es die Jahreszeiten zulassen, ist einlegen, einkochen und fermentieren angesagt! Auch bei bäuerlichen selbst gemachten gibt es nichts einzuwenden, aber im Großem und Ganzen soll jeder selbst entscheiden. Nehmen wir zum Beispiel die Paradeiser her: Im Winter schmecken sie nicht, aber auf der Pizza will trotzdem keiner darauf verzichten. Dann ist eine gute Dose die wesentlich bessere Wahl…

Worauf achten Sie beim Einkauf?

Dass die Produkte saisonal sind – und natürlich Qualität vor Preis. Wer ein Produkt verkauft, hinter dem er auch steht, weiß, was es wert ist. Lebensmittel sind unser kostbarstes Gut!

Haben Sie eigene Lieblingsrezepte, die Sie uns verraten würden?

Beim Kochen mache ich alles gerne – es ist eine Erweiterung des Horizontes. Wenn es ums Essen geht, dann liebe ich einen guten Braten, egal von welchem Tier, nur saftig und gut gewürzt mit Kräutern – und leider bin ich auch anfällig für alles, was süß ist.

In der aktuellen Ausgabe haben wir auch den Themenschwerpunkt „Patisserie“. Welche Rolle spielt diese Kunst in Ihrer Küche? 

Das Dessert! Der krönende Abschluss, wie es immer heißt! Ich finde es wichtig, ich mache diesen Teil bei uns immer selbst und ich habe so meine Vorstellungen davon. Ich versuche hier immer einen Spannungsbogen von bekannter und moderner Küche zu schaffen, möglichst so, dass es wirklich außergewöhnlich wird. Die Verwendung von Gemüse bei den Desserts habe ich hinter mir und ich besinne mich wieder auf Zutaten, die wirklich Spaß machen, wie Frucht, Säure, wenig süße und verschiedene Texturen.

In der aktuellen Ausgabe gibt es außerdem das Schwerpunktthema Bier. Hätten Sie dazu einen Tipp / ein Statement oder gar ein Rezept für uns?

Ich bin noch nie der große Fan einer Küche mit Bier gewesen. Das eine oder andere ablöschen, ja. Auch im Süßbereich habe ich es eingesetzt. Aber verschiedene Biere von kleinen Brauereien finde ich spannend und eine gute Alternative als Speisebegleiter. Selbst führen wir ein Hausbier aus einer kleinen Brauerei in Nassau (nicht von den Bahamas sondern nur ein paar Minuten von uns entfernt) – wirklich spannend, was der Richard Achleitner so produziert!

Mit welcher Küchentechnik arbeiten Sie?

So richtig viel zum Kochen braucht man ja eigentlich nicht. Also, wir haben eine Kochplatte, einen Thermomix, einen Pacojet und einen Dampfofen.

Welche Rolle spielt die Einrichtung der Küche?

Es geht eigentlich darum, alles kompakt zu halten und die Wege zu minimieren. Edelstahl war mir etwas zu kalt, deswegen haben wir uns für Stein entschieden.

Was sind Ihrer Erfahrung nach häufige Fehler in der Gastronomie und wie gelingt es, diese zu vermeiden?

Oft liegen Fehler an der Organisation und dem sogenannten Hausverstand. Im Prinzip wird ein Konzept immer funktionieren, wenn man sich auf das Bauchgefühl verlässt. Eine eigene Handschrift und Durchsetzungskraft sind von großem Vorteil. Vermeiden kann man Fehler am besten, wenn man sich die eigenen eingesteht. Nur: Sie zu entdecken ist die Kunst.

 

Vielen Dank für das Gespräch!

 

Interview: Heidrun Schwinger / Fotos: Karin Bergmann

 

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Kategorie: Allgemein, Food, Gastronomie | F&B

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