Visionäres Hotelkonzept – aqua Turm

21. November 2017 Mehr

Türme sind faszinierende Bauwerke. In ihnen realisiert sich der Wunsch, die Erdoberfläche zumindest für kurze Zeit zu verlassen genauso wie das gleichzeitige Scheitern dessen, wie z.B. die Geschichte vom Turmbau zu Babel erzählt. Dieses Scheitern hatte die Familie Räffle allerdings während der 20 Jahre, die die Planung ihres Turmprojektes benötigte, nie im Sinn. So lange schon lässt die Idee sie nicht los, den 1956 errichteten und seit 1979 stillgelegten Wasserturm des einstigen Milchwerks in Radolfzell neu zu nutzen. Den Architekten und Energieplaner Norman Räffle hat der Turm bereits als Kind fasziniert, weshalb er jahrelang immer wieder neue Ideen für diese Architektur entworfen und skizziert hat: von Gastronomie, Wohungen bis hin zu Büros und etlichem mehr.

 

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Als die Stadt Radolfzell den Turm 2002 für 25.000 Euro zum Kauf ausschrieb, griff er zu. Gemeinsam mit dem Bruder und Betriebswirt Thorsten entwickelte er einen Businessplan. In Radolfzell sollte das weltweit erste Nullenergie-Hochhaus entstehen, so die Vision der Räffle & Sons GbR. Durch die Sanierung des Turms mit Passivhaus-Technologie wollte man den Energiebedarf so weit senken, dass gebäudeintegrierte Anlagen für Fotovoltaik, Solarthermie, Hydrothermie und Windkraft ausreichen würden, um den Energiebedarf für die gewerbliche Nutzung zu decken. Mit Elan starteten 2008 die Tiefbauarbeiten, denn der Turm steht auf weichem, gering tragfähigen Seeton. Eine neue, kombinierte Pfahl-Platten-Gründung bildet jetzt ein solides Fundament mit 15 Metern tief verankerten Pfählen. Doch nachdem 2009 die erhofften Büromieter absprangen, beschloss die Familie, den Turm zum Hotel umzubauen. 2011 wurde die Baustelle wiedereröffnet, um zusätzlich zum Fundament auch das Tragwerk zu verstärken. Neue Wand- und Deckenelemente aus Stahlbeton stabilisieren den Turm nun auch von innen heraus. Nach dem Umbau wiegt er jetzt rund 2500 Tonnen – immerhin ein Drittel des Eiffelturms.

Mit der Eröffnung des neuen Design-Hotels unter der Bezeichnung „Aquaturm Hotel & Energie“ im April 2017 ist endlich der lang gehegte Wunsch in Erfüllung gegangen. Mit Passivhaus-Technologie saniert, erwirtschaftet der Aquaturm nun mehr Energie, als für die gesamte Gebäudetechnik des Hotels erforderlich ist – und zwar ausschließlich aus regenerativen Quellen. Das weltweit erste Plusenergie-Hotel-Hochhaus bietet in 15 Doppelzimmern, einer Suite und vier Einzelzimmern Platz für 56 Gäste. Eine atemberaubende Panoramaaussicht bietet die Suite. Hier kann man den Blick über den westlichen Teil des Bodensees, das Alpenpanorama und die Altstadt von Radolfzell bis zur Vulkan- und Burgenlandschaft des Hegau schweifen lassen.
Im Inneren setzt das Design-Hotel auf elegante und baubiologisch hochwertige Ausstattungen. Die zu 100 Prozent selbst produzierte Energie aus Solar- und Geothermie, Windkraft und Fotovoltaik kommt sogar an den vier hauseigenen Elektrotankstellen, vier Tesla-Chargern und fünf E-Bike-Ladeplätzen aus der Leitung. Energetisch positiv aufgeladen wird auch das Trinkwasser mithilfe von Amethyst, Bergkristall und Rosenquarz. Gefrühstückt wird in 33 Meter Höhe mit Außenterrasse und weitem Blick über den Bodensee.

Der ehemals 34 Meter hohe Turm wurde während des Bauprozesses auf eine Schaftlänge von 20 Metern abgetragen, um fünf weit auskragende Geschosse in Stahlbetonbauweise aufzustocken. Mitsamt der vertikalen Windkraftanlage auf dem Dach beträgt die Gesamthöhe des 14 Etagen umfassenden Gebäudes nun 50,5 Meter.
Statisch verbunden, thermisch getrennt
Der Zugang zu den einzelnen Etagen erfolgt über einen zusätzlichen Aufzug- und Stiegenturm. Mit diesem wird die knappe Grundfläche des Gebäudes optimal genutzt und er dient zugleich der Aussteifung. Über Stege verbunden, fangen die beiden Türme Lasten durch Wind und Erdbeben (Radolfzell liegt in der Erdbebenzone 2) gemeinsam auf. Dabei sind die Türme mithilfe tragender Wärmedämmelemente statisch verbunden, jedoch thermisch getrennt. Über die Stege müssen kontinuierliche und punktuell auftretende Druck-, Zug- und Querkräfte übertragen werden – nicht jedoch Wärme. Sonst könnten sich hier sich hier auch Kondenswasser und somit Schimmel bilden.
Auch Stahlbauelemente lassen sich mithilfe dieser Wärmedämmelemente thermisch voneinander entkoppeln. Damit bietet das tragende Element maximale Sicherheit in der Planung, minimiert die Energiekosten und verhindert Bauschäden. Auf dem Dach des Aquaturms verbindet es zum Beispiel das Stahlgerüst, das die vertikale Windturbine trägt und die solarthermischen Röhrenkollektoren aufnimmt, mit den Stahlträgern des Erschließungsturms.

 

 

Fotos: ©aquaTurm, Schöck Bauteile GmbH

Text: ©Reischer Peter

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Kategorie: Innovationen

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