Von der Groß- zur Gastroküche – magdas Küche

25. Juni 2019 Mehr

Von der Groß- zur Gastroküche

Über die magdas Küche als Vorzeigeprojekt, auch für die Hotel- und Gastronomieküche, sprachen wir mit Architekt Florian Schaller, Gesamtprojektleiter bei ATP architekten ingenieure, und Küchenplaner Sebastian Ronge, Prokurist beim Ingenieurbüro Ronge Stria.

Welche Grundvoraussetzungen sind für magdas Küche und Gastroküche gleich wichtig?

Florian Schaller: Eine möglichst schnittstellenfreie Planung aus „einer Hand“ und die enge Zusammenarbeit zwischen Architekten und Ingenieuren, wie dies bei magdas Küche der Fall war, bringen immer einen enormen Mehrwert für den Bauherrn.

Architekt Florian Schaller

Welchen Tipp haben Sie in Hinblick auf Nachhaltigkeit und Energieeffizienz?

Florian Schaller: Zur Planung der Bauphysik sowie zur späteren ÖGNB-Gebäudezertifizierung ist eine frühe Einbindung nachhaltiger Themen wichtig. Bei magdas Küche haben wir bereits in der Wettbewerbsphase unsere hauseigene Consultinggesellschaft ATP sustain mit ins Boot geholt.

Zahlt sich Re- und Upcycling generell aus?

Florian Schaller: Ressourcenschonung war ein wesentlicher Entwurfs- und Gestaltungs­aspekt. Wir haben vorhandene und funktionstüchtige Materialien bzw. Bauelemente liebevoll aufgewertet, anstatt sie einfach zu entsorgen. Neben der Energieeinsparung schafft das aufgewertete Material eine besondere Atmosphäre. Recycling ist zwar ein Mehraufwand, im Sinne der Nachhaltigkeit und des ökologischen Fußabdrucks eines Gebäudes macht er sich jedenfalls bezahlt.

Bei magdas Küche wird Abwärme zum Heizen genutzt. Könnte man dies in jeder Küche realisieren?

Florian Schaller: Ausgangspunkt für die besonders effiziente Abwärmenutzung bei magdas Küche war das sehr energieintensive Chill-Verfahren, das zur Haltbarmachung der Speisen angewandt wird. Nicht der heiße Dampf des normalen Kochvorganges wird genutzt, sondern jene Abwärme, die durch die Schockkühlung der Speisen entsteht. Der energieaufwendige Kühlprozess macht einen Großteil des gesamten Energiebedarfs aus. Damit diese Wärme nicht einfach verpufft, wird die bereits verwendete Menge an Energie ins System zurückgespeist, um etwa Fußbodenheizung und Heizdecken im gesamten Gebäude zu versorgen. Inwiefern in einer herkömmlichen Gastronomieküche erzeugte Abwärme ausreicht, um auch kleinere Anlagen wirtschaftlich zu betreiben, muss im Einzelfall evaluiert werden.

Worauf sollte man in einer Gastro-Küche bei Raumtemperatur und Lüftung achten?

Sebastian Ronge: Die Schwierigkeit besteht in dem Spagat zwischen Lebensmittelhygiene und Wohlbefinden der Mitarbeiter. In wesentlichen Prozessschritten brauchen wir Räume mit Temperaturen unter oder um den Gefrierpunkt. Dort wird darauf geachtet, dass keine Zugluft entsteht. In den Verarbeitungsräumen bestehen normale Raumtemperaturen. Unmittelbar neben dem Herd oder in der Patisserie kann es dann schon wesentlich wärmer werden. Köche durchlaufen also an einem Arbeitstag alle denkbaren „Klimazonen“. Entsprechende Schutzbekleidung ist daher obligat.
Florian Schaller: In der magdas Küche ist im gesamten Küchenbereich eine Vielzahl von großzügigen Zuluftelementen vorgesehen und die eingebrachte Luft wird direkt über dem Kochbereich wieder abgesaugt. Luftverwirbelungen werden so minimiert und die warme und geruchsbehaftete Luft verteilt sich nicht im gesamten Küchenbereich.

Küchenplaner Sebastian Ronge

Welche Tipps haben Sie für Anlieferung und Entsorgung?

Sebastian Ronge: Die Wege zwischen Anlieferung und Entsorgung müssen auf jeden Fall kurz sein und wenig verwinkelt. Sie sollten hygienisch einwandfrei verlaufen, Kreuzungspunkte ausschließen und trotzdem zentral zusammenlaufen. Ideal ist, wenn alles, was mit dem Warenfluss zu tun hat, auf einer Ebene stattfindet und somit kein Lastenlift verwendet werden muss.
Florian Schaller: Bei der Anlieferung achten wir immer sehr darauf, dass der Anlieferbereich außerhalb der Küche ein Ankommen von PKWs und LKWs ermöglicht. Wichtig ist auch die geschickte Positionierung des Müllraums. Im konkreten Fall ist der boden­ebene Bereich praktisch an den Ladehof angebunden und das Müllfahrzeug kann direkt vor dem Müllraum parken.

 

Wird der Abfallvermeidung künftig mehr Raum eingeräumt werden?

Sebastian Ronge: Auf jeden Fall, das Bewusstsein ist inzwischen bei allen Gemeinschaftsverpflegern angekommen. Programme wie United Against Waste nehmen das Thema „vermeidbare Lebensmittelabfälle“ auf. Bei einigen Projekten konnten wir in Zusammenarbeit mit unseren Kunden bis zu 60 % Abfälle vermeiden.

Nehmen auch neue Ernährungstrends Einfluss auf die Küchenplanung?

Sebastian Ronge: Ernährungstrends, Zielgruppen, Diäten und spezielle Lebensmittel, erfordern in der Küche separate Bereiche und lassen die Gerätestruktur vielfältiger werden.

Wie viel Platz brauche ich pro Arbeitsstation?

Sebastian Ronge: Pauschal lässt sich das nicht beantworten, da jede Küche andere Anforderungen hat. In Großküchen wie
z. B. bei magdas brauche ich zwischen den Kochzeilen mehr Platz für fahrbare Tische, Servierwägen, heiße Gebinde und natürlich die vielen Köche usw. Es kann schon mal eng werden im Kochprozess.

Wie gehen Sie hier bei der Planung vor?

Florian Schaller: Zumeist können die Betreiber und Nutzer selbst sehr gut abschätzen, welche Flächen für welche Zwecke erforderlich sind. Dank Digitalisierung können wir bereits in einer sehr frühen Planungsphase Situationen umfassend simulieren und damit Entscheidungen erleichtern. Zusätzlich können VR-Tools wie 3D-Brillen eingesetzt werden, mit denen man ein virtuelles Gebäude wie real erleben und verschiedene Möglichkeiten evaluieren kann.

Ist es üblich, dass der Koch mitplant?

Sebastian Ronge: Im optimalen Fall wird gemeinsam mit der Küchenleitung und dem Küchenplaner eine Betriebsorganisation im Vorfeld erstellt sowie ein Changemanagementprozess erarbeitet. Dadurch werden auch Ängste genommen und das Küchenpersonal kann sich optimal auf die neue Küche einstellen. In der Endphase der Planung ist es von Vorteil, einen Ansprechpartner aus der Küchenleitung zu haben, mit dem man – wie bei magdas – noch einmal alles quercheckt.
Florian Schaller: Wir stehen in kontinuierlichem Austausch mit unseren Kunden und – wo möglich – auch mit den künftigen Nutzern. Mithilfe des Planungstools Building Information Modeling (BIM) erstellen wir einen virtuellen Zwilling des Gebäudes, auf den alle Projektbeteiligten – auch der Bauherr – in Echtzeit zugreifen können.

In welchen Intervallen brauchen Gastronomen neue Küchen?

Sebastian Ronge: Eine gute Küche sollte in der Regel zwischen 20 bis 25 Jahre überdauern. Wenn sich die Anforderungen sehr stark verändern, kann es auch früher der Fall sein.

Wie flexibel sollten Küchen geplant sein?

Sebastian Ronge: Gut geplante Küchenkonzepte müssen auf zukünftige Trends in der Speisenversorgung jederzeit reagieren können. Deshalb berücksichtigen wir bei vorhandenen Küchengeräten auch schon die Anschlüsse für neue Geräte sowie Reserveanschlüsse für zusätzliche Geräte.

 

magdas Küche

 

Was gilt es in Bezug auf Aufenthalts- und Arbeitsqualität zu beachten?

Sebastian Ronge: Kurze Arbeitswege, klare Aufteilungen und moderne Technik, bilden die Basis für ein zufriedenes Küchenteam. Zudem wird in der Großküchentechnik sehr viel entwickelt, um die Köche zu unterstützen: Automatische Hebevorrichtungen, Übernachtgarer, digitale Temperaturüberwachung per Computer oder Tablet machen tägliches Arbeiten in der Küche nicht nur angenehmer, sondern wirken sich auch positiv im Qualitätsmanagement und auf die Speisenqualität aus.
Florian Schaller: Bei magdas Küche haben wir außerdem auf den visuellen und thermischen Komfort der Mitarbeiter geachtet, ebenso wie auf die größtmögliche Einbringung und Ausnutzung des vorhandenen Tageslichts. Dies haben wir durch hohe Fensterbänder, Zwischenwände aus Glas und ein großzügiges Oberlicht in Kombination mit hellen Oberflächen an Wänden, Böden und Decken gelöst. Punktuell eingesetzte grafische Illustrationen rund um den „lukullischen Genuss“ beleben die hellen Wandflächen und verhindern ein steriles Ambiente. Auch die bewusst und dezent gesetzten Farbakzente in den Wandfliesenbereichen wirken dem Eindruck einer konventionellen Großküche entgegen.

Welche Materialien und Oberflächen sind üblich, welche nicht?

Sebastian Ronge: In der Küche selbst verwenden wir aus hygienischen Gründen auf jeden Fall CrNi-Stahl sowie Kunststoff, etwa für Schneidbretter. Holz ist tabu. In der Ausgabe sieht das schon wieder anders aus. Von Edelstahl über Kunststein bis Granit ist alles dabei.

Apropos Hygiene: Wie offen darf eine Küche für Gäste sein?

Sebastian Ronge: Das ist vom Kundenkreis abhängig. Eine Krankenhausküche ist Hochhygienebereich, hier darf nichts von außen eindringen. Im Hotelbereich (4-5*) sind Open Kitchens und Showküchen state of the art, ebenfalls auf Kochevents darf die Küche gerne offen sein. Wichtig ist, dass man alle Prozesse im Hintergrund im Griff hat und die Hygiene aufrecht erhalten wird. In der magdas Küche haben wir das mit einer Entwicklungsküche gelöst, die temporär von Besuchern betreten werden kann und mit einer verschließbaren Glaswand von der Küche getrennt ist.

Worin sehen Sie den größten Benefit der magdas Küche als Vorbild für die Gastro-Küche?

Florian Schaller: Durch den einzigartigen Energierückgewinnungsprozess ist magdas Küche sicherlich zukunftsweisend. Wesentliche Planungsaspekte wie Barrierefreiheit, Ressourcenschonung und Energieeffizienz sind neben Gestaltung und Integraler Planung allesamt als Schlüssel für verantwortungsbewusstes gesellschaftliches Handeln in der gebauten Welt zu verstehen und sicherlich auch auf andere Gastroprojekte übertragbar.

 

Text:©Heidrun Schwinger

Fotos:©ATP/Florian Schaller

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Kategorie: Innovationen

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