Schwebende Holzlobby im Hotel Hotel Canberra

18. April 2016 Mehr

Fragmentierte Hotellobby aus Holz. Es ist ein sicherlich interessanter Raum, doch ob man sich so richtig darin wohlfühlen kann? Es scheint, als ob jede Menge altes Holz wie in einer Science-Fiction Szene auf einmal in der Luft bewegungslos stehen geblieben wäre: Bretter, Pfosten, Leisten, Schindeln – alles schwebt im Luftraum der Lobby des Hotel Hotel in Canberra, Australien.

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Nicht nur Wien ist anders, offensichtlich ist auch Australien so. Aber dieses Projekt hat immerhin den Global Interior Award des Jahres 2015 in Singapur gewonnen und dabei über 100 nominierte Teilnehmer, die sich um den Award beworben hatten, klar geschlagen. Der Gewinner wurde bei einer entsprechenden Gala des World Festival of Interiors im weltberühmten Marina Bay Sand in Singapur bekannt gegeben. Die Verdoppelung des Namens ist übrigens kein Schreibfehler, sondern Marketingkonzept: „It‘s so nice, we say it twice!“
Schon das Konzept dieses Hotels ist außergewöhnlich: Betrieben wird es von der Molonglo Group, die von den Brüdern Johnathan und Nectar Efkarpidis gegründet wurde. Die Gruppe ist für die Entwicklung des Projektes, die geistige Urheberschaft, die Architektur, Inneneinrichtung, Auswahl der Kunstwerke, Objekte und Möbel verantwortlich – fungierte auch als Kurator für die Gesamtkomposition und organisiert Kulturevents, Ausstellungen und Performances im Hotel. Das Projekt liegt in dem sogenannten „Nishi Building“, mitten in Canberras Kunst- und Kulturbezirk NewActon. Die Efkarpidis-Brüder betrachten ihr Werk als Kollaboration von Designern, Künstlern, Kunsthandwerkern und fantasievollen Menschen. Laut Aussage der beiden lieben sie Hotels nicht wegen des Protzes, sondern weil sie an die Vergänglichkeit und die Wichtigkeit von Märchen erinnern. Vielleicht sind auch deshalb in dem gesamten Komplex keine zwei Räume ident.

Die insgesamt 68 Zimmer sind mit Möbeln aus den australischen 20er Jahren, die sorgfältig restauriert wurden, bestückt. Originalkunstwerke, Sammlerstücke und Kunsthandwerk ergänzen die Einrichtungen. Die Betten sind aus alter, recycelter Eiche, die Wände Mischungen aus Lehm, Beton, Kork und Naturtapeten. Man findet in den Zimmern Kunst und luxuriöse Stoffe aber genauso supermoderne, designte Waschgelegenheiten aus Stein oder Beton und Hightech Materialien. In den Bädern sorgen die australische Naturkosmetik-Serie Aesop (sie ist auch in Wien erhältlich) und (für Australien ungewöhnlich) geheizte Fußböden für Wohlbefinden. Eine Hälfte der Zimmer hat den Ausblick auf einen See oder die Natur, die andere Hälfte blickt in einen Innenhof, der mit tasmanischen Bäumen und Sträuchern bewachsen ist. An der Ausgestaltung der Hotelzimmer waren über 60 verschiedene Künstler und Designer beteiligt. Weitere 39, vom Hotel gemanagte Appartements sind über das Gebiet der Fußgängerzone von New-Acton verteilt.

Die Lounge des Hotels besteht aus einer Serie von ineinander verschachtelten Räumen: Sie sind jeweils aus groben, vorgefertigt gegossenen Betonbalken gestaltet. Hier befinden sich die Rezeption und der Portier, eine Bibliothek mit einer kleinen Zeitungsabteilung, zwei offene Kamine, die Bar mit ihrem Mosaikraum, Salon und Speisesäle. Der Mosaikraum ist mit großformatigen Kunstwerken gefüllt und der Salon und Speisesaal zollen ihren Tribut der Nachkriegs-Einwanderungswelle, die nach Australien kam und den eklektizistischen Kitsch mit sich brachte. Hotel Hotel ist mit dem Außenraum von NewActon durch die „Große Stiege“ verbunden, eine Explosion aus mehr als 2.250 Holzteilen in den verschiedensten Formaten und Größen – alle in der näheren Gegend zusammen gesammelt und recycelt. Sie ziehen sich in die Lobby hinein bis zur Stiege, welche die Geschosse mit den Zimmern erschließt. Das March Studio, ein australisches Designbüro, hat diese fragmentierte Eingangslobby sozusagen als Markenzeichen, als Signatur für das Gebäude entworfen und gestaltet. Sie bietet eine unverwechselbare Identität für die Architektur. Die Serie bruchstückhafter Holzteile bedeckt die Wände und Möblierung – sie formt einen Art Tunneleffekt, welcher die Gäste vom Eingang über die Rezeption durch die Hauptzonen des Hotels bis zur Stiege leitet. So wird ein Fokus am Ende dieses fragmentierten Eingangsbereiches geschaffen. Das Design soll die Menschen dazu anregen, auch in Räumen, die normalerweise als Transit- und Durchgangszonen wahrgenommen werden, zu verweilen. Die abgehängten Holzteile werfen krakelige, gepixelte Schatten auf den Boden und die Wände regulieren Ein- und Ausblicke in der Architektur. Diese Gestaltung und auch die Möbel in der Eingangshalle sind auch ein Versuch, Handgemachtes und Menschliches in den Kontext der strengen und glatten Gebäude der Umgebung zu bringen – und somit einen Kontrast zum Perfekten der Architektur zu setzen.

Die Juroren beschrieben das Design als „Meisterstück einer Gestaltung und Integration verschiedenster Räume in einem nahtlosen und angenehmen Interieur“. Die absichtliche und bewusste Verwendung von Holzstücken in der Lobby veranlasste die Jury auch zu der Erklärung eines „poetischen Gebrauchs von Abfallmaterial, um ein starkes, aber nicht überforderndes Erlebnis zu schaffen“. Sie sprachen auch von der Tatsache, dass diese nachdenkliche und innovative Designleistung als eine Art Bilbao-Effekt mitgeholfen hat, die ganze Gegend, in der die Architektur steht (damit ist NewActon gemeint), zu verjüngen und zu beleben. Hier ist das Hotel Hotel Teil eines ganzheitlichen Konzeptes, welches Büros, Appartements, Cafés und Kinos zu einer Erlebniszone verbindet.

Fotos: ©March Studio, Ross Honeysett
Text: Peter Reischer

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Kategorie: Schlagzeilen

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