Interior Designer Andreas Neudahm über die Open Lobby

3. Februar 2017 Mehr

Die Hotel-Lobby als Wohnraum.
Das Herzstück fast jedes Hotels ist die Lobby, per definitionem: Der Vor- oder Empfangsraum in einem Gebäude. Viele Hoteliers haben ihre Lobby in letzter Zeit umfunktioniert in: Great Room, Lifestyle Lobby oder schlicht die „Open Lobby“ (OL). Ein Grund dafür ist das Auftauchen eines neuen Typus des Geschäftsreisenden. Eine Trendstudie hat ihn folgendermaßen definiert: Er ist nicht an gewöhnliche Bürozeiten und Arbeitsweisen gebunden, schätzt eine Umgebung mit Café-Atmosphäre und lässt sich von anderen Reisenden inspirieren, die an ihren Laptops und mit ihren Smartphones arbeiten. In den meisten europäischen Hotels, vor allem in den Ketten, findet man heute bereits die sogenannte „Open Lobby“, also eine gemütlich gestaltete Empfangshalle mit Zonierungen, Rückzugsbereichen und fließenden Übergängen.

In der OL können Geschäftsleute kleinere und größere Meetings abhalten, man kann arbeiten, etwas essen oder einen Kaffee trinken. Es gibt einzelne Sitzgelegenheiten, Sessel, Sofas, aber auch Tische, an denen vier oder sechs Leute Platz haben. Hier passiert es häufiger, dass sich Geschäftspartner treffen, hinsetzen und die Laptops aufklappen. Manchmal werden auch Speisen angeboten die 5, 10 und 20 Minuten heißen – je nachdem, wie viel Zeit die Gäste eben haben.
Ein weiterer Punkt kann sein, dass hier – im Gegensatz zu den Zimmern – der Internetzugang gratis angeboten wird, um so die Gäste in die Lobby zu bewegen. Manche bieten auch Steckdosen mit verschiedenen Anschlüssen für ihre internationalen Gäste an.

 

Einer, der dieses Konzept seit Langem vertritt, ist der Interior Designer Andreas Neudahm und hotelstyle fragte bei ihm nach.

 

Herr Neudahm, hat die Open Lobby nicht denselben Effekt, wie er mit dem – aus der großen Krisenangst entstandenen – „Cocooning“ erreicht werden soll? Oder soll man eher den Begriff „Homing“ als Ausgangspunkt nehmen?
Das kommt eher aus der Zeit der alten Grand-Hotels. Ich sehe heute die Open Lobby als Ort der Zusammenkunft – man trifft sich, man unterhält sich und tauscht Erfahrungen aus.

Kommt das Prinzip der Open Lobby dem „Sharing“ entgegen? Profitieren die Hoteliers davon?
Der Hotelier will als Erstes mit seinem Geschäft Geld verdienen. Dafür schafft er Profitcenter, die jedoch mit den echten Lobbys von früher, die keine wirklichen Profitcenter waren, nicht zu vergleichen sind. Mit dem Open Lobby-Konzept entsteht ein Ort, an dem Getränke und Essen zu sich genommen werden können. Wenn der Gast in Gesellschaft ist, gibt er durchschnittlich mehr Geld aus – anders, als wenn er alleine an einem Tisch sitzt.

Wenn man es sehr direkt sagt, soll das Open Lobby-Konzept dem Hotelier helfen, dass seine Kunden mehr Geld ausgeben.
Genau. Über das Open Lobby-Konzept kann sich der Hotelier aber auch darstellen. Das lässt sich daran veranschaulichen, wie der Kunde heutzutage sein Hotelzimmer bucht. Der Großteil sieht sich im Internet um und reserviert über den Preis und über die Bewertung von bereits da gewesenen Gästen. Ein 4-Sterne-Mittelklasse-Hotel, das beispielsweise acht Punkte auf einem Buchungsportal hat, bekommt eine bessere Bewertung, wenn das Hotel dem Gast zusätzlich Ideen bietet. Das kann durch ein Kunstkonzept in der Lobby sein oder ein Entertainment, über das der Gast redet. Mit relativ wenig Aufwand lässt sich so die Rate erhöhen.

Was ist noch mit dem Open Lobby-Konzept verbunden?
Das Open Lobby-Konzept ist ein ganzheitliches Konzept, das heißt, damit sind auch die Zimmer verbunden. Der Gast sucht das Haus auf, weil er über den Brand weiß, er bekommt dort ein Entertainment geboten, welches ihm für den Abend zusagt.

Zu welchen Maßnahmen raten Sie, um dem jeweiligen Hotel eine/seine Unverwechselbarkeit zu geben? In eine Nische zu gehen?
Aktuell ist zu beobachten, dass große Brands teilweise kleine Brands kaufen. AccorHotels beispielsweisew hat sich gerade mit 30% bei 25hours-Hotels beteiligt. Letztere haben sich sehr stark damit beschäftigt, wie sie den Gast im Hotel halten können und Accor hatte bisher kein Produkt dafür. Jetzt haben sie sich dieses Produkt ins eigene Haus geholt. Das zeigt, der Trend geht dahin, dass die Leute ein Hotel nicht mehr als Business-Hotel sehen, sondern als ein Lifestyle-Resorthotel. Dieser Punkt ist im Grunde von vielen großen Brands vernachlässigt worden. Der Gast möchte eben das Besondere und soll dies auch bekommen.

Wo wird diese Entwicklung hingehen?
In den nächsten Jahren wird sich jeder Brand auf einen Fokus spezialisiert haben. Der eine wird sich die Musik zum Thema machen, der andere die Kunst. Der Gast wird sich nach seinen persönlichen Vorlieben entscheiden. Letztendlich ist alles nur Bühne, sozusagen Show.

Ein Mensch, der einen Raum durchschreitet, nimmt diesen ganz anders als beim Sitzen wahr. Was bedeutet das Open Lobby-Konzept für die Raumwahrnehmung des Gastes in der Lobby?
Da gibt es das, was man „first love“ nennt. Der Gast nimmt beim Betreten der Lobby zuerst all das wahr, was sich auf Augenhöhe befindet. Alle Elemente, die in der Halle vorzufinden sind, wie Farben, Beleuchtung, Musik, Gerüche, sind für die Raumwahrnehmung entscheidend und dafür, ob sich der Gast wohlfühlt. Für mich ist die Lobby wie ein Beduinenzelt – man kommt zusammen, sitzt, redet und erlebt gemeinsam.

Wie ist der Status quo des Open Lobby-Konzeptes?
Hinter der Umsetzung von Open Lobby-Konzepten stehen Menschen, die aus der klassischen Hotellerie kommen. Sie müssen sich ständig weiterentwickeln und ein Gefühl für Trends haben. Den klassischen Hoteldirektor mit Krawatte, den gibt es nicht mehr.

Das heißt, es ist ein Prozess, der gerade beginnt?
Als Interior-Designer kann man die beste Hardware liefern, aber wenn die Software, sprich das Hotel, sie nicht bespielen kann, ist das Konzept nicht durchführbar. Das heißt, wenn ein Designer ein Designhotel entwickelt, wird das passende Personal benötigt, das dieses auch bedienen kann. Das Team muss sich daher immer erst bilden.

 

Interview: Peter Reischer
Fotos: ©Neudahm Hotel Interior Design GmbH

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Kategorie: Schlagzeilen

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