Würchwitzer Milbenkäse

23. September 2016 Mehr

Aroma-Geheimnis entlockt.
In der Welt der Wissenschaft gibt es offensichtlich nichts, was sich nicht akribisch ergründen lässt. So haben sich Biologen der TU Darmstadt mit der bislang ungeklärten Frage beschäftigt, woher der zu den teuersten deutschen Käsesorten zählende „Würchwitzer Milbenkäse“ sein Zitrus-Aroma erhält. Das Ergebnis ihrer umfangreichen Untersuchungen: Es sind die Milben, die nicht nur bei der Reifung helfen, sondern mit ihren Abwehrstoffen den Geschmack prägen.

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Im Normalfall bedeutet Milbenbefall, dass ein Käse verdorben ist. Nicht so beim „Würchwitzer Milbenkäse“, der bei der Herstellung absichtlich mit tausenden der Tierchen versetzt wird, die dann mehrere Monate auf dem Käse leben und die Reifung unterstützen. Auszeichnen soll sich diese Käsesorte zum einen durch den kümmelartigen Geschmack, zum anderen wird schon seit hunderten von Jahren sein fruchtiges Aroma geschätzt.
So schrieb der Arzt und Parasitenforscher Friedrich Küchenmeister schon 1881: „Bekanntlich wird Acarus siro [die Käsemilbe] in manchen Gegenden Deutschlands von Landwirten förmlich (in sogenannten Milbenkisten) gezüchtet, um den Milbenkäse, der wegen seines zitronensäuerlichen Geschmackes von Gourmets geliebt wird, herstellen zu können.“

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Trotz dieser Jahrhundertealten Erkenntnis hat aber bisher offensichtlich noch niemanden interessiert, woher dieser fruchtige Geschmack stammt, der sich durch die zugesetzten Gewürze nicht erklären lässt. Der Frage gingen nun der Milbenkundler Dr. Michael Heethoff und sein Doktorand Adrian Brückner aus der Arbeitsgruppe „Ökologische Netzwerke“ im Fachbereich Biologie der TU Darmstadt nach.
Was als Käse-Tasting begann, wurde schnell zur Suche nach den chemischen Ursachen für das Zitrusaroma. Zunächst entfernten die Forscher alle Milben und untersuchten das Duftbouquet des Käses ohne seine Bewohner. Hier konnten sie jedoch keine zitronenartigen Duftstoffe nachweisen. Käsemilben zeichnen sich, neben ihrer Vorliebe für Käse, dadurch aus, dass sie sich ihre Feinde mit einem abschreckenden Wehrsekret vom Leibe halten. Und in ebendiesem Sekret fanden die Wissenschaftler unter anderem Neral, eine der Hauptkomponenten des Zitronenöls. Der fruchtige Charakter des Käses begründet sich also nicht durch die eigentliche Herstellung, sondern vielmehr durch eine Abwehrreaktion der Milben beim Schneiden und Zerkauen der Delikatesse. Für das volle Aroma des Milbenkäses sind also die Milben unverzichtbar.
Neben dem deutschen Milbenkäse gibt es übrigens auch noch den französischen Mimolette, welcher ebenfalls mithilfe von Käsemilben reift. Auch bei diesem fanden die Forscher Neral und konnten die zitronenartige Geschmacksnote somit den Käsemilben zuschreiben.

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Fotos: ©Sandra Junker / TU Darmstadt

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Kategorie: Gastronomie | F&B

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