Haube wider Willen – Georg Essig

29. März 2018 Mehr

Georg Essig ist seit 31 Jahren geradezu eine Institution in Linz, zunächst mit dem „Vogelkäfig“ (ab 1987 eine, dann bald zwei, 2005 sogar drei und ab 2006 konstant zwei Hauben) und seit 2009 mit zwei Hauben und dem „Essig’s“, wo nicht nur hervorragend gespeist, sondern auch Eingerextes erworben, eigener Wein gelagert und das Kochen erlernt werden kann. Welche Überlegungen hinter diesem vielfältgen Konzept stehen, welche Rolle Standort und Region spielen und warum Georg Essig eigentlich gar keine Haube haben möchte, waren Thema eines persönlichen Gesprächs mit unserer Redaktion.

Ihr Werdegang ist ja recht ungewöhnlich. Können Sie diesen kurz beschreiben?
Ich bin 1962 geboren, seit 1987 selbstständig und war bis 1990 keinen einzigen Tag in der Küche.

Und wie ist es dann doch dazu gekommen?
Als wir den „Vogelkäfig“ 1987 eröffneten, hatten wir sehr kreative Küchenchefs und sehr bald auch zwei, später drei Hauben. Die Kritiken waren hervorragend – nur die Gäste sind ausgeblieben. So konnte es nicht weitergehen. Jetzt haben Sie es aber mit sehr gefeierten Chefköchen zu tun, die natürlich freie Hand haben möchten. Und dann erklären sie diesen „Göttern in Weiß“, dass es den Gästen nun mal nicht schmeckt…

Und da haben Sie sich entschlossen, selbst zu kochen?Georg Essig portrait
Ja, das war dann die logische Folge. Ich hatte ja selbst Koch und Kellner gelernt, von Anfang an aber den Weg ins Service eingeschlagen. Die Küche war absolutes Neuland für mich. Und nur, weil man schon oft gesehen hat, wie’s geht, heißt das noch lange nicht, dass man das dann auch kann.

Wie ging es dann weiter?
Ich habe mir Mitarbeiter geholt, die ganz klar besser waren als ich! Und natürlich von Anfang an gut auskommuniziert, worum es geht. Von einem Burschen aus dem Steirer­eck, der dann auch eine Zeit lang Küchenchef in Tirol und letztendlich fünf Jahre bei mir war, habe ich am meisten gelernt. Ich habe mich intensiv mit dem Kochen beschäftigt, bin oft essen gegangen, habe geschaut, was die anderen machen und versucht herauszufinden, was funktioniert und was nicht.

Warum haben Sie den „Vogelkäfig“ 2009 aufgegeben?
Der „Vogelkäfig“ hatte von Anfang an Hauben und Sterne. In der Wirtschaftskrise 2009 haben viele unserer Stammkunden nur durch Subventionen überlebt. In so einer Situation geht man nicht mit gutem Gewissen in ein Haubenlokal. Außerdem haben uns die Krise 2009 und die begrenzte Steuerabschreibbarkeit für Geschäftsessen seit 1995 gezeigt, dass man in der Gastronomie nicht nur auf ein Standbein setzen kann. 1995 hatten wir von einem Tag auf den anderen 50 Prozent weniger Umsatz. Wir haben damals schon begonnen, Kochkurse anzubieten, allerdings nur drei bis vier Mal im Jahr, weil wir ja keine eigene Küche dafür hatten. Mit dem neuen Standort gab es dann Platz für die Greißlerei, die zweite Küche, den Weinkeller und das Restaurant.

Und wieso wurde nicht nur der Standort sondern auch der Name geändert?
Ja, schauen Sie, wenn man noch nicht bekannt ist, dann nennt man sein Lokal nicht „Essig“. Deswegen hatten wir uns einen anderen Namen überlegt. Mit der Zeit haben unsere Gäste aber nicht mehr gesagt: „Wir gehen in den Vogelkäfig“, sondern „Wir gehen zu den Essig’s“. Es war also ganz selbstverständlich, dass wir dann auch das Lokal so nennen.

Was kann man sich unter „Essig’s harte Schule“ vorstellen?
In unserer Koch-„Schule“ arbeiten wir mit genau denselben Möglichkeiten, die unsere Kursteilnehmer zuhause haben. Es gibt keine Gastroküche, keine Kühl- oder Warmhaltemöglichkeiten für 25 Teller gleichzeitig, keine vorgeputzten oder vorfilettierten Zutaten. Alles wird von den Teilnehmern von der Pike auf selbst zubereitet, Gang für Gang – mit Profiwissen aber ohne Profiküche – die „harte“ Schule eben. Und das ist auch das, was unsere Koch-„Schüler“ suchen.

Dazu gibt es noch die Greißlerei und die Weinboxen? Was sind hier die besonderen Herausforderungen?
Ja. In der Greißlerei haben wir etwa 60 hausgemachte Produkte, in Gläsern eingerext. Das wird sehr gut angenommen – nur die behördlichen Auflagen sind enorm. Eine Kleinigkeit auf den Etiketten – und schon kann man das Produkt wieder aus dem Regal nehmen.
Die Weinboxen sind dagegen ziemlich unkompliziert. Unsere Stammgäste können eine Weinbox mieten und diese selbst befüllen. Wenn sie dann Geschäftspartner zum Essen einladen, können sie das Essen pro Person bis zu einer Höhe von 75 Euro abschreiben. Der Wein ist als Kundengeschenk abschreibbar und der ganze Abend bleibt so innerhalb des Budgets steuerfrei. Wir haben 32 Boxen, die wir um 220 Euro im Jahr vermieten. Dazu verrechnen wir pro Flasche ein Stoppelgeld von ein paar Euro für Service und Gläser. Und da sind alle Boxen vermietet.

Das heißt, Sie haben sehr viele Stammkunden?
Ja, gut 95 Prozent unserer Gäste sind Stammgäste. Wir schalten auch gar keine Werbung mehr, sondern informieren unsere Gäste direkt via Directmailing über besondere Events und Aktionen und bekommen so auch ein direktes Feedback.

Und wie sieht es mit Touristen aus?
In Linz ganz schlecht. Außerhalb der Brucknertage und der Ars Electronica verirren sich maximal Schiffs- oder Radtouristen in die Stadt. Und auch die bleiben meist entlang der Donau bzw. werden direkt am Schiff verköstigt. Wir haben zwar mit dem Lentos ein großartiges Museum, aber abgesehen von der Kokoschka-Ausstellung vor einiger Zeit und vielleicht jetzt der Ausstellung mit Werken von Schiele, Klimt und Koloman Moser, gelingt es den Linzern kaum, Kunstinteressierte aus Wien oder aus dem Ausland anzulocken.

Inwieweit wirkt sich das auf die Gastronomie aus?
Ganz vehement. Wir haben deshalb ein Konzept entwickelt, das auf unsere Stammgäste zugeschnitten ist – auch auf die, die zwar regelmäßig, aber vielleicht nur ein oder zwei Mal im Jahr hierher essen gehen, weil sie etwas Besonders feiern.

Beeinflusst das auch die Karte?
Ja, zum Beispiel in Hinblick auf Regionalität. Wir arbeiten eng mit den Produzenten aus der Nachbarschaft zusammen, haben auch eigene Themenabende mit diesen, aber wir können nicht ausschließlich regional arbeiten. Natürlich wollen wir unseren Gästen regionale und saisonale Gerichte näher bringen, aber mit Kraut und Selleriegemüse alleine werden wir im Winter die Gäste nicht glücklich machen, die genau dann zu uns kommen, um etwas ganz Besonderes zu erleben.

Und welchen Einfluss hat der Standort auf die Preisgestaltung?
Hier muss man natürlich auch sehr genau wissen, was geht und was nicht. Unsere Vorspeisen kosten um die 15 bis 20 Euro, die Hauptspeisen 25 bis maximal 35 Euro. Mehr geht vielleicht in Salzburg. In Linz geht das nicht. Wenn ich einmal auch nur eine einzige Hauptspeise um 38 oder 40 Euro ausschreibe, dann heißt es gleich: „Beim Essig kostet das Essen 40 Euro.“ Da geht mir keiner mehr her, ganz gleich, wie teuer oder günstig alles andere ist.

Sind Sie mit der Anzahl der Sitzplätze gut ausgelastet?
Ja. Wir haben hier 50 Sitzplätze. Die sind aber fast jeden Tag zwei, öfter auch drei Mal gebucht. Das liegt auch an unseren ungewöhnlichen Öffnungszeiten. Die Küchenbestellzeit geht bei uns nämlich von 11 Uhr bis 18:30 – und zwar an vier Tagen die Woche. So können wir auch gute Arbeitszeiten für unsere Mitarbeiter garantieren. Und die Gäste können bei uns schon früh essen, oder auch um 14 Uhr 30 nach dem Büro oder um 17 Uhr, noch bevor das Theater beginnt. Nachtbetrieb haben wir keinen. Man soll ja auch gar nicht so spät essen. Und für das Glas Wein oder den Cocktail gibt es andere Lokale, die dann wiederum auch kein großartiges Essen mehr anbieten müssen.

Ist die Mehrfachbesetzung ein Problem für die Gäste?
Nein, gar nicht. Wenn der Tisch nachher schon reserviert ist, sagt man das bei der Bestellung eben dazu. Manche Gäste wollen dann ja ohnehin noch ins Theater. Und manche kommen auch gerne eine halbe Stunde früher. Man muss halt miteinander reden. Das ist auch meiner Frau sehr wichtig. Der Gast darf jeden Wunsch äußern – und nach Möglichkeit werden wir diesen dann auch erfüllen. Das sollte eigentlich selbstverständlich sein, wird aber heute nicht immer so gelebt.

Bezieht sich die Äußerung von Extrawünschen auch auf die Karte?
Ja, natürlich. Wer rechtzeitig reserviert, darf sich gerne auch einen Hummer wünschen, auch wenn der gar nicht auf der Karte steht. Vegetarische Alternativen gibt es natürlich auch immer unangemeldet. Und wenn jemand einfach nur Palatschinken will, na dann werden wir ihm diese natürlich auch mit Freude zubereiten.

Wie oft wechselt die Karte?
Wir wechseln die Hauptgerichte alle vier Wochen. Und die Vorspeisen und die Desserts wechseln dann jeweils zwei Wochen später – also auch im Vier-Wochen-Rhythmus. Das hat unter anderem logistische Gründe, da wir ja nicht von einem Tag auf den anderen sämtliche Zutaten und Abläufe wechseln wollen.

Mit Ihrer Karte haben Sie ja nicht nur die Gäste, sondern auch erneut die Kritiker überzeugt. Wieder zwei Hauben – war das Absicht?
Nein. Wir wollten keine Hauben und Sterne mehr. Wir haben sogar an die Redaktionen geschrieben, dass sie uns bitte aus den Gastronomieführern nehmen sollen – allerdings ohne Erfolg. Gegen Hauben kann man sich offenbar nicht wehren… Verstehen Sie mich nicht falsch. Natürlich freuen wir uns über gute Kritiken. Und vor allem für unsere Mitarbeiter – die sind ja alle noch sehr jung – ist das eine schöne Bestätigung für ihre Arbeit, aber ich persönlich brauche das wirklich nicht mehr.

Was würden Sie jungen Gastronomen raten, die in Linz Fuß fassen wollen?
Ein Restaurant ist ein wunderbarer Arbeitsplatz und man kann hier sich selbst und den Gästen eine wunderbare Zeit ermöglichen! Aber bei all den Auflagen heute bleibt eigentlich kaum mehr Zeit für das, was man gut und gerne macht. Wer das aber alles auf sich nehmen möchte, kann das natürlich auch in Linz. Das ist hier sicher kein einfacher Standort, aber wenn dich die Linzer einmal angenommen haben, dann bleiben sie dir auch gerne treu.

 

Seesaiblingsfilet mit Fenchel und Spinat
für 4 Personen

 

Seesaibling-zum-Rezept

 

Zutaten:
1 Fenchelknolle in feine Streifen geschnitten
2 EL fein geschnittene Zwiebel
Orangensaft und die geriebene Schale einer Orange
8 EL Cremespinat
einige Passepierre-Algen
rote Chicoreeblätter
12 Babyspinatblätter
Olivenöl, Öl zum Braten
weißer Balsamessig
Zucker
Salz und Pfeffer
4 Stk Seesaiblingsfilet mit Haut, ohne Gräten
griffiges Mehl
8 EL aufgeschäumte Weißweinsauce

Zubereitung:
Zuerst den Fenchel in Zwiebel und Olivenöl anschwitzen. Mit Salz, Pfeffer, Orangensaft und der Schale würzen und vorsichtig weich garen.
Cremespinat erwärmen und die Algen, den Chicoree und die Spinatblätter mit Olivenöl, Essig, Zucker, Salz und Pfeffer marinieren.
Den Saibling würzen, die Haut in Mehl tauchen und in einer Pfanne mit Öl nur auf der Hautseite knusprig braten.

Anrichten:
Zuerst den Spinat mit Hilfe eines Löffels auf den Teller geben und mit dem Löffelrücken danach über den Teller ziehen. Darauf nun den Fenchel legen und darauf das Filet platzieren. Mit Spinatblättern, Chicoreeblättern und den Algen garnieren. Abschließend mit der aufgeschäumten Weißweinsauce nappieren.

Fotos:© „Essig‘s Harte Schule“ / Erwin Rachbauer

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Kategorie: Food, Gastronomie | F&B, Rezepte

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