Der perfekte Espresso

14. Oktober 2015 Mehr

Das perfekte Getränk beginnt – wie immer – bei der Auswahl der Zutaten. In diesem Fall geht es um die Bohne oder besser gesagt Kaffee-Kirsche, deren Kerne rund um den Äquator geerntet werden.

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Von den vier bekannten Sortenstämmen sind vor allem Robusto und mehr noch Arabica bekannt, die sich – vergleichbar zu der groben Unterscheidung in Rot- und Weißwein – wiederum in unterschiedlichste Sorten aufgliedern lassen. Während Arabica in 800 Meter Seehöhe und mehr geerntet wird, wächst Robusto vor allem in tieferen Lagen, wo übrigens auch mehr Insekten anzutreffen sind. Zur Abwehr dieser Fressfeinde bildet die Pflanze mehr Koffein (bis 2,7%) und dadurch weniger Fette (ca. 9%) und Zucker (ca. 5%), wodurch sich der geschmackliche Unterschied der beiden Sortenstämme erklären lässt. Im Vergleich dazu bildet Arabica bei einem Fettgehalt von etwa 18%, bis zu 8% Zucker und nur 0,6 bis 1,5% Koffein und ist gleichzeitig sehr vielfältig in Aroma und Geschmack.
Je nach Anbaugebiet, Klima aber auch saisonalen Klimaschwankungen und Wetter unterscheiden sich dann die einzelnen Sorten – aber auch die einzelnen Jahrgänge. Um trotz der jährlichen Unterschiede geschmacklich konstante Produkte auf den Markt zu bringen, werden fast ausschließlich Mischungen verschiedener Sorten verkauft. Diese Blends enthalten zwar von Jahr zu Jahr dieselben Sorten, allerdings – je nach Süße, Koffeingehalt und Aroma der einzelnen Ernten – im jeweils neu abgestimmten Mengenverhältnis. Die Bezeichnung „100 % Arabica“ allein sagt also noch wenig über Geschmack und Qualität der Bohnen aus.

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Ernte und Verarbeitung
Da die einzelnen Kirschen eines Astes zu verschiedenen Zeiten reif werden, kann die beste Ernte ausschließlich per Hand beim sogenannten „Picking“ erzielt werden. Wesentlich günstiger – und daher auch häufiger – ist das gleichzeitige Abstreifen aller Kirschen („Stripping“) oder im Flachland, vor allem in Brasilien, auch die maschinelle Ernte.
Kern und Fruchtfleisch werden dann entweder im Wasserbad („Washed Coffee“) oder durch Trocknen in der Sonne („Naturals“ bzw. „Pulped Naturals“) getrennt.
Rohkaffee aus getrockneten Kernen ist an der bräunlichen Farbe erkennbar. Nach dem Rösten bekommt der Schlitz in der Bohne eine dunkle Färbung. Der Kaffee selbst schmeckt etwas erdiger. Gewaschener Kaffee ist im rohen Zustand an der bläulichen Färbung und geröstet an dem helleren Schlitz erkennbar. Der Kaffee schmeckt fruchtiger. Allerdings ist Waschen nur in wasserreichen Regionen möglich, da pro Kilo Kaffee ca. 150 Liter Süßwasser verbraucht werden.
Gehandelt wird Rohkaffee an den beiden großen Börsen in New York (für Arabica) und in London (für Robusto) und wird dann über Großhändler, vor allem in Bremen und Hamburg, für den europäischen Markt weiterverkauft. Die Güteklassen für Arabica reichen von der nahezu unerreichbaren Bestnote „NY 1“ (New York 1) bis hin zu „TT“ (Triage), was so viel wie „Aussortiertes“ bzw. „Reste“ bedeutet.
Geröstet wird – entsprechend dem aktuellen Trend hin zu „hand-crafted“ Produkten – bereits in vielen Kaffeehäusern. Große Röstereien, wie Julius Meinl in Wien, empfehlen aber, gerade bei diesem Arbeitsschritt besondere Vorsicht walten zu lassen. Die richtige Temperatur, Dauer, Drehgeschwindigkeit der Trommel und Menge der Zu- und Abluft sind entscheidend, damit sich die gewünschten Aromen optimal entfalten können.
Gleich nach dem Rösten sollte Kaffee luftdicht verpackt werden, optimal mit Stickstoff in der Packung und einem Einweg-Ventil, das den CO2-Gehalt aus den Bohnen entweichen lässt. Das volle Aroma entwickelt sich übrigens erst in der Packung, etwa 36 Stunden nach dem Rösten und bleibt bei trockener Lagerung gut 18 Monate erhalten. Sauerstoff beschleunigt den Alterungsprozess. In geöffneten Packungen verliert gerösteter Kaffee nach einigen Tagen, gemahlener Kaffee bereits nach wenigen Minuten (!), einen Teil seines Aromas.

Die Zubereitung
Ganz gleich ob Cappuccino, Melange, Café Latte oder Latte Macchiato – der einzige Kaffee, den ein Barista wirklich zubereiten können muss, ist der Espresso. Denn, so Benjamin Graf, SCAE authorised Trainer der La Cultura Del Caffé Ges.m.b.H., der Espresso ist die Basis aller anderen Kaffeerezepte: So braucht man etwa für die Melange warme Milch, Milchschaum und einen Espresso, für den Cappuccino einen Espresso mit aufgeschäumter Milch und für die beiden großen Milchkaffees viel aufgeschäumte Milch und wieder einen Espresso. Selbst der Verlängerte oder auch der Häferlkaffee basieren auf dem „Kurzen Schwarzen“. Doch Vorsicht: Kaffee wird nicht unbedingt besser oder gar schwächer, je länger man heißes Wasser durch das Kaffeemehl rinnen lässt! Ganz im Gegenteil: Ist der Kaffee am Anfang noch heiß und aromatisch, so wird er bei zu langem Brühen schal und bitter. Dieser sogenannte „überextrahierte“ Kaffee ist es auch, der abends lange wach hält und sogar Kopf- und Bauchschmerzen verursachen kann. Wer seinen Kaffee gerne in großen Tassen mit viel Wasser trinkt, sollte daher zum Espresso ein Kännchen heißes Wasser bestellen – eine Form der gehobenen Kaffeekultur, wie sie bereits in immer mehr Kaffeehäusern weltweit gelebt wird.

Wie aber wird nun der perfekte Espresso zubereitet?
Benjamin Graf empfiehlt hier das Grundrezept des Istituto Nazionale Espresso Italiano (INEI):

0,6 bis 0,7 g Kaffeemehl
25 ml Wasser
88 bis 92°C. Wassertemperatur
8 bis 10 Bar Druck
23 bis 27 sec. Brühzeit

Alternativ dazu kann, so die Speciality Coffee Association of Europe (SCAE), je nach Sorte und Maschine die Temperatur auf bis zu 95°C erhöht und die Wassermenge zwischen 20 und 30 ml (bei angepasster Brühzeit von 20 bis 30 sec.) variiert werden.
Optimal weist der Kaffee dann eine haselnussfarbene, feinporige Oberfläche mit kleinen dunklen Flecken auf der Crema auf.
Ist die Crema am Rand zu dunkel und haben sich Luftblasen gebildet, ist der Kaffee vermutlich überextrahiert. Das passiert, wenn zu viel Kaffeemehl verwendet oder zu lange gebrüht wurde, weil etwa der Kaffee zu fein gemahlen ist oder zu fest getampt wurde und das Wasser so länger braucht, um den Kaffee zu passieren. Zu hoher Pumpendruck und zu hohe Temperatur sind ebenfalls mögliche Ursachen.
Unterextrahierten Kaffee erkennt man an zu heller oder gar keiner Crema. Der Kaffee schmeckt wässrig und hat zu wenig Körper. Die Ursache dafür können dann eine zu kurze Kontaktzeit, zu wenig Kaffee, zu groß gemahlenes Mehl oder ein zu lockeres Tampen sein.
Richtiges Tampen (Verdichten) des Kaffeemehls gelingt übrigens, wenn der Kaffee gleichmäßig im Sieb verteilt ist und gleichmäßig Druck (etwa 20 kg) aufgebracht wird.
Wichtig ist, so Benjamin Graf, auch die sachgerechte Handhabung an der Maschine. Wer, optimal mithilfe eines Microfasertuchs, vor jeder neuen Tasse Kaffee darauf achtet, dass das Sieb innen und am Rand sauber ist, schont nicht nur die Maschine inklusive Dichtung, sondern verhindert auch, dass Kaffeereste erneut überbrüht werden oder am Rand verbrennen und so das feine Aroma zerstören.
Und auch der Milchschäumer muss nach jeder Kanne gereinigt werden. Getrocknete oder gar über Nacht eingeweichte Milchschäumer sind die optimale Brutstätte für Bakterien, nicht nur außen, sondern auch im Inneren der Maschine! 
Eine kurze Einschulung aller an der Kaffeemaschine tätigen Mitarbeiter ist daher wärmsten zu empfehlen und wird nicht nur von den Herstellern, sondern auch von passionierten Kaffee-Liebhabern wie der Julius Meinl Coffee Academy regelmäßig angeboten.

Kontakt & mehr Infos
Web Julius Meinl:www.meinlkaffee.at
Web La Cultura Del Caffe Ges.m.b.H.: www.laculturadelcaffe.at

Fotos:
© Andreas Laser
© Fotolia

 

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Kategorie: Gastronomie | F&B

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