À la Carte Blanche – Philip Rachinger

26. April 2018 Mehr

Der Mühltalhof in Neufelden, Oberösterreich, zeigt sich bereits in seiner Architektur als harmonisches, langsam Gewachsenes, wo Altbestand teils von 1698 und behutsame Umbauten stimmig ineinandergreifen. Mit hochwertigen, möglichst unverfälschten Produkten, die meisten davon direkt vor der Haustüre im Mühlviertel gewachsen, kochen hier Vater und Sohn, Helmut und Philip Rachinger, raffinierte Menüs, die Gäste und Kritik gleichermaßen überzeugen.

Viele Rezepte stammen noch von Oma Walpurga, viele sind von Helmut Rachinger, viele von Sohn Philip kreiert. Letzterer lernte im Steirereck am Pogusch und in Wien, bewarb sich dann bei Pierre Gagnaire in Frankreich, arbeitete bei dem schottischen Sternekoch Isaac McHale im Londoner CloveClub, dann bei Sven Chartier in Paris und – erst 24 Jahre jung – wieder im Mühlviertel, wo er kreativ und selbstbewusst einen eigenen Stil vorgibt, dem sich die Gäste voll und ganz anvertrauen. Die Auswahl überlassen die meisten am liebsten ganz der Küche. À la Carte ist damit nahezu die Ausnahme. Warum keine Karte für ihn die beste Karte ist, erzählt der Drei-Hauben-Koch im Gespräch mit hotelstyle & gastro.

Seit sechs Generationen ist der Mühltalhof in Familienbesitz. Was bedeutet dieses Erbe für den Betrieb heute?Philip Rachinger
Ich bin jetzt seit fünf Jahren wieder zuhause und muss sagen: Die letzten fünf Jahre waren eigentlich der pure Wahnsinn! Die Leistung und Qualität, die mein Vater, meine Tante, Oma und Opa – ja und auch noch vorherige Generationen vorgelegt haben, ist das Fundament für jeden Erfolg, den der Mühl­talhof jetzt feiert. Jede Generation gab 100%, um den Betrieb in der bestmöglichen Form an die nächste weitergeben zu können.

Gemeinsam mit dem Vater und teilweise auch der Großmutter in der Küche – gibt es da nicht auch die klassischen Generationskonflikte?
Bei uns wird ja sowieso über nichts anderes gesprochen als übers Kochen. Es ist für uns das Normalste, was es gibt, und befruchtet unheimlich. Für mich ist es einfach absolut einzigartig, drei Generationen in einer Küche zu haben.

Ist bei steter Kontinuität auch Raum für Veränderungen?
Veränderungen gibt es ständig. Ganz am Anfang war der Mühltalhof zum Beispiel ein Gasthaus, wo die Wirtin die Leute am Klavier und mit kaltem Bier bei Laune hielt. Später war hier eine Sommerfrische an der großen Mühl, wo die Gäste bis zu zwei Wochen im Haus blieben – bei Vollpension. Jeder Koch weiß, was das heißt. Und dann kamen die Seminärräume dazu, wovon einer mittlerweile zum Wellnessraum wurde. Hoteltechnisch sind wir wie ein Chamäleon und passen uns den Gegebenheiten an. Wichtig war aber immer die Qualität des Essens sowie der Getränke. Das ist das Rückgrat des Mühltalhofs.

Stationen in Ihrem Werdegang waren London, Paris, die eigene Heimat. Welche Region inspiriert Sie besonders beim Kreieren Ihrer Gerichte?
Mich inspiriert so ziemlich alles. Das scheint in der Familie zu liegen.

Aus Ihrer Küche gibt es nach wie vor auch traditionelle Gerichte wie zum Beispiel ein – übrigens hoch gelobtes – Erdäpfelgulasch. Was halten Sie von dem Begriff „alte Küche neu interpretiert“?
Interpretieren? Das machen Künstler. Wir im Mühltalhof kochen.

Welche Rolle spielt Regionalität?
Regionalität, so wie wir es betreiben, gibt uns eine gewisse Unverwechselbarkeit. Die Qualität der Produkte sowie die enge Zusammenarbeit mit den Produzenten machen es möglich, innerhalb weniger Stunden die ganze Speisekarte umzudrehen und somit am Punkt der Zeit beziehungsweise der Saison zu sein.

Regional bedeutet ja auch immer saisonal. Was steht jetzt auf der Karte?
Zurzeit sowie in den kommenden Wochen wird natürlich wieder der volle Fokus auf das junge, frische Gemüse aus Eferding und dem Umland liegen. Konkret gibt es Spargel; Brennessel, Brunnenkresse, Girsch, Huflattich, Heurige; Sauerklee, Bärlauch und vieles mehr. Die üblichen Verdächtigen also.

Muehltalhof_2016_Gruenwald-34Der Großteil Ihrer Gäste, sagt man, überlässt die Speisenauswahl der Küche, lässt sich also überraschen. Stimmt das?
Der Traum eines jeden Koch: Gegessen wird, was am Tisch kommt. Fertig!
Wir bekommen damit aber auch sehr viel positives Feedback, weil die Gäste so auf neue Sachen stoßen, die sie sich sonst vielleicht niemals bestellt hätten. Aber durch die Carte Blanche lernen sie neue Geschmäcker und Kombinationen kennen, von denen viele nie gedacht hätten, dass sie schmecken.

Mit Ihren Kreationen haben Sie ja auch die Fachpresse überzeugt. 18 von 20 Punkten, 3 Hauben – Sind solche Bewertungen wichtig für Sie?
Natürlich haben wir uns extrem gefreut. Wichtig hin oder her; es tut sehr gut, Bestätigung für seine harte Arbeit zu bekommen. Und das von jedem einzelnen Gast, nicht nur von Gault&Millau. Am wichtigsten ist aber, dass das Gericht mich selbst überzeugt. Wenn das nicht der Fall ist, dann kann es sein, dass ein Essen, das den Gästen schmeckt, nicht länger als einen Abendservice überlebt.

Von bzw. für sich selbst setzen Sie den Anspruch sehr hoch. Würden Sie sich auch von anderen oder für andere mehr wünschen?
Mehr Netto vom Brutto! Für die Arbeitgeber sowie Arbeitnehmer!

 

 

Plöckinger Granit
Birne x Graumohn x Essig x Kohle

 

Muehltalhof_2016_Gruenwald-82

 

Graumohneis
500 ml Milch
75 ml Obers
3 Stk Dotter
75 g Zucker
33 g Graumohn gerieben
20 ml Mohnöl

Milch und Obers mit dem Graumohn aufkochen. Zucker mit Dotter in der Küchenmaschine schaumig weiß schlagen. Die aufgeschlagene Dottermasse mit der Mohn-Milch zur „Rose“ abziehen (82°C). Zum Schluss mit Mohnöl verfeinern. Einen Tag ziehen lassen und in einer Eismaschine fertig machen.

Brösel von einer verkohlten Buche
325 g Mehl
250 g Butter
200 g Zucker
7 g Salz
30 g Sesam schwarz gemahlen
15 g Buchenkohlepulver

Alles gemeinsam samt Butter (Zimmertemperatur) zu einem Teig verarbeiten. Bei 150 °C
15 min trocken backen.

Essigmeringue
100 g Eiklar
100 g Kristallzucker
100 g Staubzucker
30 g Essigpulver

Eiklar zum Schnee schlagen. Den Kristallzucker, gesiebten Staubzucker & Essigpulver einarbeiten. Bei 110 °C 20 min lang trocknen lassen.

Gegrillte Williamsbirne
2 Stk superreife Williamsbirne
10 cl weißer Balsam Essig Gölles

Die Birne schälen, vierteln, das Kerngehäuse entfernen, und in einer Grillpfanne auf jeder Seite ordentlich grillen. Mit dem Essig marinieren.
Das Graumohneis als Granitblock auf dem Teller anrichten, die gegrillte Birne mittig platzieren und mit Buchenbrösel und Meringue bestreuen.

Fotos:©Jürgen Grünwald (Speisen) , Andreas Balon

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Kategorie: Gastronomie | F&B, Schlagzeilen

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