Resonanz statt Masse – Tourismus

26. September 2019 Mehr

Resonanz statt Masse – Tourismus

Tourismus ist an vielen Orten bloßer Stressfaktor. Massentourismus schadet der Umwelt, belastet die Locals, stresst den Reisenden, überfordert die Angestellten und erhöht den Preisdruck auf Anbieter, bilanziert Harry Gatterer, Geschäftsführer des Zukunftsinstituts und definiert in der aktuellen Tourismus-Trendstudie den „Resonanz-Tourismus“ als neues Bedürfnis der Reisenden und als Chance für Gastgeber und Destinationen.

 

 

Reisende fahren, so Gatterer, nicht mehr an einen Ort, nur weil man dort gewesen sein muss, weil der Ort Erholung verspricht oder ein All-Inclusive-Buffet lockt. Sondern sie machen sich auf den Weg, um eine Erfahrung zu machen, die auch nach der Reise noch Bestand hat. Es geht nicht mehr nur um kurzfristige Erholung und ein punktuelles Glückserlebnis, sondern um eine transformative Erfahrung durch den Austausch mit der Umgebung, die die persönliche Lebensbiografie erweitert und Wachstum ermöglicht. Dies kann ein inneres Wachstum sein, in Form von Entwicklung und Selbstveränderung, das kann aber auch ein Wachstum im Außen sein, durch verändernde Kommunikation, Begegnungen und Umwelterfahrungen.

Das Bedürfnis nach Resonanz zeigt sich auf unterschiedliche Weise. Ein Beispiel ist etwa die große Anzahl von Selfies, die Urlauber vor bekannten oder möglichst spektakulären Kulissen zeigen. Ein anderes Beispiel ist die hohe Nachfrage nach möglichst ausgefallenen Erlebnisangeboten wie etwa Bikepacking als Mischform von Radreise und Radrennen oder Swimhiking, wobei Wander- und Schwimmabschnitte kombiniert werden. Zunehmender Beliebtheit erfreuen sich zudem Reisepakete, bei denen sich der Reisende von den Destinationen überraschen lässt, die der Veranstalter nach zuvor besprochenen Kriterien ausgewählt hat.

Immer mehr Reisenden geht es aber nicht nur um besondere Erlebnisangebote, sondern darum, auf Reisen „berührt“ zu werden und eine Lebensqualität zu erfahren, die in den Alltag nachwirkt. Beispiele dafür sind Kurse wie Yoga, Meditation & Co, aber auch Slow-Travel-Angebote zur allgemeinen Entschleunigung. Resonanz lässt sich aber auch durch das Erfahren eines ökologisch nachhaltigen Tourismus erleben. So kann eine hundert Prozent nachhaltige Reise ein inneres Gefühl der Stimmigkeit und ein Gefühl der Verbundenheit mit der Natur erzeugen.

Als gelungene Beispiele nennt Dr. Wolfgang Isenberg, wissenschaftlicher Leiter der PROJECT M GmbH Strategieberatung für den Tourismus, in seinem Experteninterview unter anderem Schlafstrandkörbe der Tourismus-Agentur Schleswig-Holstein, spirituelle Auszeiten hinter Klostermauern in Bayern und den Meditationsweg in den Ammergauer Alpen. Auch die Österreich Werbung will, so Isenberg, mit naturbegegnenden Reisen „den Menschen in Resonanz zur Mitwelt und sich selbst bringen. Und nicht zu vergessen das Waldbaden: Waldbaden, die naturbezogene Praxis, die darauf ausgerichtet ist, das allgemeine Wohlbefinden aus der Kraft der Natur zu stärken.“

Das Bedürfnis einer authentischen Urlaubs­erfahrung beginnt übrigens bereits mit der Anreise. Denn auch hier zeigt sich das wachsende Bedürfnis nach Naturnähe und Nachhaltigkeit. Hotels können diesen Trend aufgreifen und etwa die Anfahrt mit dem Zug in das Urlaubserlebnis mit einbinden. Bei einem Wanderurlaub kann etwa das Gepäck abgeholt, die letzte Etappe aber bereits zu Fuß inszeniert werden. Aber auch bei Städte- und Familienreisen können Autovermietung, Fahrradverleih und alternative Verkehrsmittel spielend mit eingebunden werden.

Vor Ort zählt dann mehr denn je die Verbundenheit zu diesem. Harry Gatterer erläutert: „Jeder von uns kennt die Situation, dass ein Hotel, das man sich ausgesucht hat, zwar wie maßgeschneidert wirkt: Style, Serviceangebote, die Bilder im Internet, das Image – alles passt. Allzu oft jedoch fühlt sich der Aufenthalt dann doch wie ein Plagiat meiner selbst an. Die vermessenen Bedürfnisse sind perfekt erkannt, doch es kommt nichts wirklich bei mir an.“ Ein Grund dafür ist, dass Reisende mit dem Ort in Beziehung treten wollen. Es geht um ein „Destination Storytelling“, das die Geschichte, die Gegenwart und die Menschen vor Ort mit einbezieht.

 

 

Resonanz entsteht nicht zuletzt auch durch menschliche Beziehungen. Hier sind Orte, an denen Reisende mit Locals in Kontakt treten können, gefragt und immer mehr auch Möglichkeiten eines Longstay als Basis einer tatsächlichen temporären Verwurzelung. Nicht zuletzt zählt aber der Mensch vor Ort.
Dr. Dr. Christoph Metzger, Buchautor von „Architektur und Resonanz“ bestätigt: „Jeder Ort ist nur so gut wie die sensorischen und kommunikativen Angebote, die er zur Verfügung stellt. In dem schönsten Haus werden Sie nicht lange alleine leben wollen – Sie brauchen eine Ansprechperson.“
Besonders gefragt ist daher echte Gastfreundschaft als freundschaftliches Angebot von Lebensqualität und menschlichen Beziehungen. Und diese gelingen nur mit Mitarbeitern, die sich selbst als Gastgeber erleben.

Menschen sind, so Gatterer, aber nur dann engagierte und motivierte Mitarbeiter, wenn sie Sinn sehen in dem, was sie tun, und wenn sie wissen, warum sie etwas tun. Sie brauchen Gestaltungsspielräume, Eigenverantwortung und die Möglichkeit zu lernen und sich auch persönlich weiterzuentwickeln. Harry Gatterer zitiert dazu Marc Traubel, Geschäftsführer eines Familienhotels in Balderschwang, aus einer Ansprache an die Hotelgäste: „Seien Sie bitte nett zu unseren Mitarbeitern, denn die Mitarbeiter finde ich nicht so leicht wie neue Gäste.“ Den einen oder anderen Gast mag diese Aufforderung überrascht haben und vielleicht noch in Erinnerung sein – was wiederum ebenfalls für Resonanz sprechen mag.

Die Trendstudie „Der neue Resonanz-Tourismus“ ist erhältlich bei: www.zukunftsinstitut.de

Fotos:©pixabay

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Kategorie: Branchentipps

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